Peinlich peinlich Prinzessin
Hause schleppten, nachdem sie wahrscheinlich die ganze Nacht im East Village durchgefeiert hatten. »Helft mir! Informiert Amnesty International! Ich werde gegen meinen Willen verschleppt!«
»Lars«, sagte mein Vater gelangweilt, während die Studenten mit ihren Handys Fotos machten, weil sie anscheinend glaubten, das Ganze wäre eine Folge von »Law and Order«, die gerade auf der Thompson Street abgedreht wurde. »Werfen Sie sie in den Wagen.«
Und Lars gehorchte! Er warf mich in den Wagen.
Okay, er hat mir auch mein Tagebuch hinterhergeworfen. Und meinen Stift. Und meine chinesischen Hausschuhe mit den Blumen aus Pailletten.
Aber trotzdem. Behandelt man so eine Prinzessin? Oder überhaupt irgendeinen Menschen?
Und Dad will mir noch nicht mal sagen, wo wir hinfahren. Ich hab ihn schon ein paarmal gefragt, aber er hat bloß geantwortet: »Das wirst du bald sehen.«
Nachdem ich den Schock über diese brutale Behandlung verdaut hab, muss ich zu meinem eigenen Erstaunen feststellen, dass es mir ziemlich egal ist. Klar, es ist schon ein komisches Gefühl, in meinem Hello-Kitty-Schlafanzug und in meine Bettdecke gewickelt, in Dads Limousine zu sitzen, aber irgendwie kann ich mich nicht dazu aufraffen, mich aufzuregen.
Ich glaub, das ist mein wahres Problem. Dass mir alles egal ist. Und selbst das ist mir sogar schon egal.
Donnerstag, 16. September, 12 Uhr, in der Praxis von Dr. G. Stöhrt
Wir sind bei einem Psychotherapeuten!
Ohne Witz. Mein Vater hat mich nicht zum Flughafen fahren lassen, um mich im fürstlichen Jet nach Genovia auszufliegen. Nein, er ist mit mir auf die Upper East Side gefahren, um mich zu einem Psychotherapeuten zu bringen.
Und zwar nicht zu irgendeinem Psychotherapeuten, sondern zu einem der führenden Spezialisten für Kinder- und Jugendpsychologie. Jedenfalls schließe ich das aus den Unmengen von Urkunden und Ehrungen, mit denen das Wartezimmer dekoriert ist.
Wahrscheinlich hat er die dort aufgehängt, um seine Patienten zu beeindrucken. Oder zumindest zu beruhigen. Wobei ich sagen muss, dass es mich nicht sonderlich beruhigt, von einem Arzt behandelt zu werden, der Dr. G. Stöhrt heißt.
Mein Vater hat mich zu einem Irrenarzt gebracht, weil er - genau wie Mom und MrG - anscheinend der Meinung ist, dass ich verrückt bin.
Okay, ich gebe zu, dass mich wahrscheinlich jeder für verrückt halten wird, der mich in meinem Schlafanzug und der Bettdecke, an die ich mich immer noch klammere, hier im Wartezimmer sitzen sieht. Aber ist das meine Schuld? Die hätten mir doch wenigstens die Chance geben können, mich anzuziehen.
Was nicht heißt, dass ich mich angezogen hätte. Aber wenn
sie mir vorher gesagt hätten, dass sie mich aus der Wohnung schleppen, hätte ich mir wenigstens einen BH angezogen.
Dr. G. Stöhrts Sprechstundenhilfe - oder Assistentin oder wie auch immer das heißt - wunderte sich anscheinend nicht über mein eigenwilliges Outfit, sondern sagte bloß »Guten Morgen, Fürst Phillipe« zu meinem Vater, als wir reinkamen. Ich meine, als Lars mich reintrug . Denn natürlich bin ich nicht freiwillig aus dem Wagen gestiegen, als wir vor dem Haus mit der Praxis hielten. Ich war nicht bereit, in meinem Hello-Kitty-Schlafanzug über die 78. Straße zu laufen. Ich mag ja vielleicht verrückt sein, aber so verrückt dann auch wieder nicht.
Also hat Lars mich getragen.
Die Sprechstundenhilfe schien es jedenfalls nicht merkwürdig zu finden, dass die neueste Patientin ihres Arbeitgebers in die Praxis getragen werden musste. Sie sagte nur: »Dr. G. Stöhrt ist gleich so weit.« Dann hielt sie mir einen Zettel hin und sagte: »In der Zwischenzeit kannst du schon mal ein paar Fragen beantworten.«
Keine Ahnung, warum ich so panisch reagierte. Aber ich sagte sofort: »Nein! Was ist das? Ein Test? Ich will keinen Test machen!« Echt komisch, aber bei der Vorstellung, einen Test machen zu müssen, begann mein Herz sofort wieder, wie wild zu klopfen.
Die Sprechstundenhilfe sah mich verwundert an. »Das sind nur ein paar Fragen zu deinem Befinden. Es gibt keine richtigen und falschen Antworten, und es dauert auch nicht lang, ihn auszufüllen.«
Aber ich wollte keine Fragen zu meinem Befinden beantworten, auch wenn es keine richtigen oder falschen Antworten gab.
»Nein«, sagte ich. »Das fülle ich nicht aus.«
»Geben Sie mir ein Formular«, sagte mein Vater zu der Sprechstundenhilfe. »Ich fülle es auch aus. Fühlst du dich dann wohler damit, Mia?«
Aus irgendeinem Grund fühlte
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