Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
nicht das geringste Lebenszeichen wahrzunehmen.
»Gut«, flüsterte Jestak. »Das heißt, sie wissen, daß die Emeri hier sind. Es heißt auch, daß sie nicht mit Speeren herausstürmen wollen, um sich niedermachen zu lassen.«
Ein Mann galoppierte vom Posten des Hunneran zu einer Patrouille in der Mitte. Die Leute lenkten ih-re Pferde in Formation, legten Pfeile ein und ritten im Trab vorwärts. Die anderen schlossen sich hinten an, auch sie legten Pfeile ein und lösten ihre Langschwerter.
»Halt, halt!« murmelte Jestak.
»Was?«
»Wenn sie diese Männer reinlassen, können sie sie fertigmachen. Wenn sie sie am Bach abfangen, werden die anderen nachkommen, sie niedermachen und eine Lücke eröffnen.«
Der Rest der langen Reihe ritt im Schritt an. Die vordere Patrouille hatte die Schlucht des Bachs erreicht und ritt schräg hinunter, bis sie außer Sicht war, dann erschien sie auf der anderen Seite wieder.
Sie hatten Mühe, ihre Pferde die Böschung hinaufzu-treiben.
»Gut«, sagte Jestak. »Schau, Tia! Sie beobachten alle den Hügel. Ich gehe jetzt von hinten heran und hole mir den Hunneran. Du bleibst hier!«
»Nein, Jestak. Ich komme mit.«
»Bitte, Tia! Um Avens willen. Bleib!«
»Nein. Ich komme mit. Ich bin keine Pelbarfrau.
Schließlich bin ich immer noch eine Shumai.«
»Zum Streiten ist jetzt keine Zeit. Nun gut. Schau, da ist ein kleiner Junge. Ich denke mir, daß er dem Hunneran gehört. Wenn wir ihn erwischen und den Hunneran ebenfalls, können wir über sie verhan-deln.«
Während sich die beiden dicht an den Beobachtungspunkt heranarbeiteten, hatte es die Patrouille geschafft, aus dem Bachbett herauszukommen, und war auf dem Weg den Hügel hinauf. Der Hunneran befahl, einen einzelnen Ton auf dem Horn zu blasen, zum Zeichen, daß sie angreifen sollten. Die anderen wechselten in Trab, dann in kurzen Galopp. Ehe das Echo des Hornsignals vom Hügel zurückgeworfen wurde, waren die Männer der anführenden Patrouille mit langen Pfeilen gespickt und stürzten von ihren Pferden, und die anderen hatten angefangen zu stürmen. Der Hunneran sah nicht einmal die ersten beiden seiner Männer fallen. Sein Sohn hatte sich umgedreht und geschrien, als der dritte stürzte, und als sich der Hunneran umdrehte, schaute er in Jestaks schußbereiten Bogen. Tia rannte zu dem Jungen und hielt ihm ihr Kurzschwert an die Kehle.
»Ruf sie zurück!« schrie Jestak.
Der Hunneran drehte sich um und sah, wie seine Männer die Pferde anhielten, um das Bachufer hin-unterzureiten. Vom anderen Ufer kamen die ersten Speere herüber, die Männer schickten Pfeile zurück.
Durch die Rufe und Schreie brüllte Jestak wieder: »Ruf sie sofort zurück, sonst stirbt der Junge! Jetzt!«
Der Hunneran sah seinen schreienden, weinenden Sohn an, drehte sich um, bückte sich, nahm das Horn und blies drei Töne darauf. Die Berittenen drehten sich um. Viele waren schon im Bachbett und hatten es nicht leicht, aber bald traten sie im Galopp den Rückzug an und näherten sich von allen Seiten dem Hunneran, als sie die Situation erkannten.
»Halt fest, Tia!« sagte Jestak, ging zum Hunneran und hielt dem Mann sein Schwert an die Kehle. Zu sich selbst murmelte er: »Bleib, Ottan, bleib wo du bist!« Aber er sah schon, wie die Shumai auf ihrer Seite des Bachs auftauchten, einige zu Fuß, andere auf ihren eigenen oder Emeripferden, und vorrückten.
»Alles anhalten!« schrie Jestak.
»Du bist der Pelbar«, sagte der Hunneran. »Jetzt steckst du in der Sache drin.«
»Vielleicht. Wir können es noch abbrechen, wenn du willst. Du weißt, daß wir gesiegt hätten. Du kommst glimpflich davon. Sogar deinen Sohn bekommst du lebendig zurück – wenn ihr alle abzieht und uns in Ruhe laßt. Sonst kommst weder du lebend heraus noch er.«
»Es ist schon zu weit gegangen.«
»Nein, noch nicht. Jetzt müssen wir mit dem Töten aufhören. Jetzt, mit mir. Sag deinen Leuten, sie sollen stehenbleiben.«
Widerstrebend blies der Hunneran vier kurze Töne auf seinem Horn. Als die Reiter die Shumai sahen, von denen sie verfolgt wurden, drehten sie sich um, galoppierten über den Hunneran hinaus und drehten sich ungefähr fünfzig Armlängen hinter ihm in einer Reihe um.
Ottan erreichte die Gruppe als erster, er ritt auf einem großen, weißen Pferd. »Kannst du sie aufhalten?« fragte Jestak. »Bring sie dazu, daß sie stehenbleiben!«
Ottan schaute ihn zornig an. Aber er drehte sich um, hob die Hände und schrie: »Thro, Stantu, sagt ihnen, sie
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