Pelbar 2 Die Enden des Kreises
gewähren. Mögen wir durch diese Begegnung zu besseren Menschen werden.«
Der alte Mann sah Stel lange Zeit schweigend an, seine Augen waren durch das Alter leicht eingesunken, blickten aber dunkel und durchdringend aus dem schmalen Gesicht, das eine sonderbare, widersprüchliche Kombination von Zerbrechlichkeit und Robustheit zeigte, von Pelbarzurückhaltung und Härte.
»Komm ins Haus!« sagte er unvermittelt, wandte sich um und fügte über die Schulter hinzu: »Ich bin Scule, ebenfalls ein Dahmen durch Heirat, ausgeschickt, um einen westlichen Außenposten für uns zu errichten, Komm!«
Stel seufzte leise und folgte Scule durch die Drehtür hinein, die der Alte hinter ihnen schloß und ver-riegelte, wie es sich gehörte. Dann öffnete er eine hölzerne Rundbogentür auf der rechten Seite und winkte Stel, er solle den Raum als erster betreten. Stel sah vor sich eine zweite, hölzerne Rundbogentür und ein hohes Fenster, durch das ein dünner Lichtstrahl hereinfiel. Er verneigte sich vor Scule, dann betrat er den Raum. Scule blieb stehen, um etwas an seinem Gürtel zu befingern, und sagte dabei: »Geh nur weiter durch die nächste Tür! Ich komme gleich.«
Stel ging weiter, ergriff den Ring in der gegenüberliegenden Tür und zog sie auf. Einen Augenblick lang war er verwirrt. Hinter der Tür war eine nackte Mauer. Aber als ihm der erste Gedanke an einen Hinterhalt durch den Kopf raste, hörte er auch schon das vertraute Knirschen einer Mauerfalle, und als er her-umwirbelte, sah er die Tür, durch die er gerade ein-getreten war, verschwinden und eine Steinplatte her-unterdonnern und einrasten. Der Alte hatte ihn in der Falle. Wie hatte er so dumm, so unvorsichtig sein können? Aber warum sollte ihn ein alter Pelbar in die Falle locken wollen? Stel ließ sich gegen die Mauer sinken und blickte sich um.
Er befand sich in einem großen Gewölbe. Das Fenster war zu hoch, als daß er es hätte erreichen, und ohnehin zu schmal, als daß er sich hätte durchquet-schen können. Am höchsten Punkt des Gewölbes befand sich ein kleines, quadratisches Loch, wo man den letzten Schlüsselstein hätte einsetzen können. Es war dunkel, aber Stel wußte, daß der alte Mann bald durch diese Lücke zu ihm herunterschauen würde. Er studierte das ihn umgebende Mauerwerk. Die Schlüsselsteine auf beiden Seiten griffen über die an-grenzenden Steine im Gewölbe und verkeilten so wirkungsvoll die Reihe. Es war gut gemacht. Im Augenblick mußte er abwarten und mit dem Alten reden.
Bald rief die dünne Stimme von oben zu ihm herunter. »Ich habe fünfunddreißig harte Winter lang hier auf dich gewartet. Ich wußte, daß die Dahmens mich holen würden. Ich wußte, daß sie jemanden schicken würden. Ich habe mich auf dich vorbereitet.« Er lachte nervös.
»Was? Die Dahmens sollen mich geschickt haben?
Wozu?«
»Es ist sinnlos, mir etwas vorzumachen. Habe zu lange gewartet. Wußte, daß sie die Verbannung nicht für ausreichend halten würden, wenn sie erkannten, wie ich sie getäuscht hatte.«
Stel schüttelte den Kopf. »Niemand täuscht die Dahmens. Wovon sprichst du? Die Dahmens täuschen alle anderen. Sie sind das Geschwür im Magen von Pelbarigan.«
Der Alte lachte. »Solches Reden hat keinen Sinn.
Ich weiß Bescheid.«
Stel überlegte. Wovon sprach der Alte? Er hätte die Dahmens hinters Licht geführt? Und vor mehr als fünfunddreißig Jahren? Was meinte er? Ein Gedanke begann Stel zu dämmern. Er stand plötzlich auf und schaute hoch. »Du. Du bist nicht Scule. Du bist Soole, verbannt wegen des Unaussprechlichen, du bist ohne Widerstand gegangen und hast für Visib, deine Braut eine Falle aufgestellt, die sie tötete, als sie euren Raum wieder betrat. Ich habe deine Geschichte ge-hört. Wie man nach dir suchte und dich niemals fand.
Hier bist du also? Ich kann es nicht glauben. Und ich bin durch die gleiche, weglose Wildnis hierhergekommen und ebenfalls in die Falle gegangen. Ich dachte, du kämst aus der finsteren, verlorenen Vergangenheit.«
Nach kurzem Schweigen gluckste der Alte wieder.
»Für Visib? Sie wurde also getötet. Ich war des Unaussprechlichen nicht schuldig. Visib selbst war es.
Ich habe es entdeckt. Als sie das erfuhr, fand sie Möglichkeiten, mich anzuklagen, mich nicht lange nach der Friedenswoche zu verbannen, überzeugt, daß ich den Tod finden würde. Ich lenkte dieses Schicksal auf sie, und jetzt lenke ich es auf dich. Ich wußte, daß sie niemals aufgeben würden.«
Stel war ganz
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