Pelbar 6 Das Lied der Axt
Sie hatte nichts zu be-fürchten.«
»Sie? Sie fürchtet auch nichts. Aber da ist ja noch dein Neffe, weißt du. Und die Verhandlungen um Elayna sind im Gange.«
»Verhandlungen? Ist sie eine Nation?«
»Schluß jetzt! Zurück in deine Zelle!«
Der junge Mann war da, als Tor zurückkam. Er schaute spöttisch auf und fragte: »Wat dat allens?«
»Niet veel. Maase Irjer.«
»Irjer? Nee, Arjer.«
»Ach. Arjer.«
Der junge Mann lächelte, als Tor sich umdrehte und dem erstaunten Wärter zuzwinkerte.
An diesem Abend versuchte Tor so offen wie möglich zu erklären, wie es zu der Schlacht gekommen war. Er ermutigte den jungen Mann – der sagte, sein Name sei Peelay –, erklärte, was geschehen war, und beschrieb, welches Unrecht die Überfälle darstellten.
Aber der Junge war sichtlich davon begeistert und behauptete, sie seien notwendig, um die Bevölkerung zu ergänzen, da sie selbst nur wenige Kinder hätten.
Tor sprach über das, was man von der Zeit des Feuers wußte, und darüber, daß andere Gruppen von Überlebenden Probleme mit Restverseuchung hätten, dann fragte er, ob sie die stark radioaktiven, leeren Stellen beträten. Peelay runzelte die Stirn. Es war klar, daß er noch nie eine solche Stelle gesehen hatte.
Tor ermutigte ihn, weiterzusprechen, und während der nächsten Abende tat er das auch.
Als Tor ihn eines Tages spät nachts bat, zu beschreiben, was sie aßen, erwähnte der Junge weiche, graue Töpfe.
»Graue Töpfe?«
Peelay, der die veränderten Laute jetzt recht flüssig übersetzte, erklärte mühsam und gebrochen, man fände sie als lange Rohre in einem Ruinenhaufen.
Man könne sie leicht in Stücke schneiden, dann würden die Stücke am Boden durch Hitze verschweißt.
Man kochte in diesen Töpfen, indem man erhitzte Steine hineinwarf, denn sie schmolzen, wenn man sie über ein heißes Feuer stellte. Aber sie waren kostbar, denn obwohl sie schwer waren, zerbrachen sie nicht wie Steingut.
Tor hatte bei dieser Erklärung ein ungutes Gefühl.
Er wußte, daß sich Sterilität aus Giften entwickelte. Er wurde nachdenklich.
Peelay fragte ihn: »Wat laus?«
»Was los ist? Ich glaube ... ich weiß nicht. Wir werden es morgen sehen.«
Am nächsten Tag überredete er einen freundlichen Wärter, ihm ein Stück Blei mitzubringen. Blei war selten im Eistal, aber man verwendete ein paar Stücke als Gewichte beim Stoffspannen. Tor wußte nicht, wo sie herkamen. Der Wärter reichte Tor das Bleistück und sagte: »Hoffentlich erzählst du niemandem davon. Ich verstehe es nicht.«
»Wenn diese Leute in dem Metall kochen und es aus alten Gebäuden holen, ist das vielleicht der Grund, warum sie keine Kinder haben. Also wäre es auch der Grund, warum sie euch überfallen müssen.«
»Ach so«, sagte der Mann nachdenklich. »Glaubst du das?«
»Bleib hier! Er wird bald kommen. Sieh selbst!«
Peelay kam müde vom Steinhauen, neugierig, als er den Wärter sah. »Wat weelt he heer?« fragte er.
»Peelay, er brachte ... verstehst du ...?«
»Prakte?«
»Ja. Er brachte das hier. Ist es das, woraus eure grauen Töpfe gemacht sind?«
Peelay nahm den Bleiklumpen, schaute ihn stirnrunzelnd an und kratzte mit dem Fingernagel daran.
Dann blickte er lächelnd auf und sagte: »Aj. Dat datsilbe.« Dann formte er die Worte sorgfältig: »Das ist dasselbe.«
»Wir nennen es Blei«, sagte Tor. »Die Sgenamon sollten darin nicht kochen, wenn sie gesund bleiben wollen.«
Peelay runzelte wieder die Stirn und enträtselte langsam, was Tor gesagt hatte, während der dem Wärter das Blei dankend zurückgab. Der Mann schien überrascht, welche Fortschritte Tor bei dem jungen Mann gemacht hatte.
Als der Wärter fort war, sagte Tor: »Nun, Peelay.
Warum haben sie dich den Berg heruntergeschickt?
Du warst soviel jünger als die anderen.«
Drei Nächte später hängte Tor zusammengebundene Streifen aus der Wolldecke durch das Fenstergitter ihrer Zelle, das sie nach langen Bemühungen hatten lockern können, und ließ Peelay hinaus. Er folgte ihm. Sie sprangen in die heulende Kälte eines hefti-gen Wintergewitters. Tor drängte den jungen Mann an die Rückseite des Sheriffsgebäudes, stemmte die Tür auf und fand dort Winterkleidung und Skier.
Lautlos machten sie sich durch die Schneewehen auf den Weg nach Norden.
Es wurde Morgen, ehe man ihre Flucht entdeckte, aber die Nachricht verbreitete sich schnell, und man stellte auf allen Straßen Wachen auf. Männer des Sheriffs gingen nach Boiling Springs und zu
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