Pendergast 02 - Attic - Gefahr aus der Tiefe
an.
»Meinst du, ich arbeite mir den Arsch ab, damit du auf unsere Kosten Sozialhilfe kassieren kannst?« provozierte der Börsianer.
Aus den Reihen der Obdachlosen war ein wütendes Murren zu hören.
»Warum tust du nicht mal was für dein Vaterland, anstatt ihm ständig auf der Tasche zu liegen?« fuhr der junge Mann fort und spuckte vor dem Anführer der Maulwürfe aus. »Du dreckiger, verlauster Penner!«
Einige der Demonstranten taten durch laute Rufe ihre Zustimmung kund.
Einer der Obdachlosen trat vor und hielt dem jungen Mann den Stummel seines linken Armes entgegen; er war oberhalb des Ellenbogens amputiert. »Da, schau dir an, was ich meinem Land gegeben habe, du Muttersöhnchen!« kreischte er mit sich überschlagender Stimme. »Schon mal was von Chu Zai gehört?« Mit einem bedrohlichen Gegrummel aus vielen Kehlen begannen die Maulwürfe, sich langsam den Demonstranten zu nähern.
Smithback blickte hinüber zu Mrs. Wisher, deren Gesicht ihm wie eine harte kalte Maske vorkam. Mit einemmal wurde ihm klar, daß diese Frau die Obdachlosen wirklich für ihre Feinde hielt.
»Spiel dich nicht so auf, du dreckiger Schmarotzer!« schrie eine angetrunkene Stimme.
»Ich werde dir gleich einen Schmarotzer geben«, kam die wütende Antwort des Einarmigen.
»Ihr Kapitalistenschweine habt meinen Bruder auf dem Gewissen!« brüllte ein anderer Maulwurf, ein großer, magerer Kerl in einer zerrissenen Baseballjacke. »Verreckt ist er für euer Scheißvaterland auf dem Hügel von Phon Mak am 2. August 1969.« Mit diesen Worten streckte er dem angetrunkenen Demonstranten den Stinkefinger entgegen. »Du kannst dir dein Vaterland sonstwo hinstecken, du besoffener Yuppie-Wichser!«
»Die Schlitzaugen hätten dich gleich mit erledigen sollen, Niggerarsch!« schrie der Betrunkene zurück.
»Dann hätten wir einen Scheißhaufen weniger in der Stadt!«
Aus den Reihen der Maulwürfe kam in hohem Bogen eine Flasche herangeflogen, die den jungen Mann mitten am Kopf traf. Er taumelte ein paar Schritte zurück und brach mit einer stark blutenden Platzwunde an der Stirn zusammen.
Auf einmal schien sich die angestaute Spannung rings um Smithback mit einem Schlag zu entladen. Laut brüllend und mit erhobenen Fäusten rannten die jungen Männer auf die Obdachlosen zu, während von den älteren Mitmarschierern weit und breit keiner mehr zu sehen war. Smithback, der von der Menge mitgerissen wurde, drehte sich nach Mrs. Wisher um, aber auch die war mitsamt ihren Begleitern von einer Sekunde auf die andere verschwunden. Ohne es zu wollen, wurde Smithback immer näher an die Obdachlosen herangedrängt. Er hörte wilde Schreie, lautes Geheul und das Geräusch von auf menschliches Fleisch herniedersausenden Holzknüppeln und Eisenstangen. Direkt vor ihm schlug ein Jungbanker einem Obdachlosen die Faust ins Gesicht. Smithback hörte noch, wie der Maulwurf vor Schmerz aufbrüllte, dann bekam er selbst einen heftigen Schlag in den Rücken verpaßt und wurde zu Boden geschleudert. Er fiel auf die Knie und mußte hilflos zusehen, wie sein Diktiergerät, das ihm aus der Tasche gefallen war, von den Kämpfenden ringsum in Sekundenschnelle zertreten wurde. Kaum hatte Smithback sich wieder hochgerappelt, mußte er sich auch schon wieder flach auf den Bauch werfen, um einem direkt auf seinen Kopf gezielten Betonbrocken auszuweichen.
Der Broadway rings um ihn herum hatte sich in ein wildes, brüllendes Chaos verwandelt.
Auch wenn Smithback nicht wußte, wer oder was die Obdachlosen in so großer Zahl an die Oberfläche getrieben hatte, war ihm doch eines klar: Hier prallten zwei von Scharfmachern aufgehetzte soziale Schichten aufeinander, die im anderen die Verkörperung des Bösen schlechthin sahen.
Als der Journalist wieder auf den Beinen war und von der hin und her wogenden Menge herumgestoßen wurde, dachte er an den Artikel, den er über die Demonstration hatte schreiben wollen. Wenn diese Straßenschlacht wirklich so groß war, wie er glaubte, dann war das derAufmacher für den nächsten Tag, aber um das beurteilen zu können, mußte Smithback erst einmal aus diesem Getümmel heraus und sich einen besseren Überblick verschaffen. Er hob den Kopf und suchte über der prügelnden Menge nach einem erhöhten Punkt, den er schließlich in der bronzenen Shakespearestatue am Eingang zum Park auch fand. Zielsicher begann Smithback, sich darauf hinzuarbeiten, als einer der Maulwürfe mit wild flackernden Augen auf ihn zustürzte und mit
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