Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
mich, dass Grove an dem besagten Abend keine fünf Minuten ruhig auf seinem Stuhl gesessen hat. Und er hat auch ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten kaum etwas getrunken. Mitunter hat er unflätig laut geredet und einen gehetzten Eindruck gemacht. Und ein paar Minuten später war er plötzlich den Tränen nahe.«
»Wissen Sie, was ihn so beunruhigt hat?«
»Ja, er fürchtete, der Teufel würde kommen und ihn holen.«
Lady Milbanke klatschte vor Aufregung in die Hände. Pendergast musterte Fosco streng. »Und was veranlasst Sie zu dieser Vermutung?«
»Als wir uns verabschiedeten, äußerte er eine sehr ungewöhnliche Bitte. Er wusste, dass ich Katholik bin, und so bat er mich, ihm mein Kreuz zu leihen.«
»Und?«
Fosco zuckte die Achseln. »Nun, ich habe es ihm gegeben. Und ich gestehe, ich bin etwas beunruhigt, seit ich von seinem Tod in der Zeitung las. Wie kann ich es zurückbekommen?«
»Vorläufig leider gar nicht. Es ist als Beweismittel beschlagnahmt worden. Und wenn es Ihnen nach Abschluss der Ermittlungen ausgehändigt wird, können Sie allenfalls damit rechnen, Ihre Diamanten zu bekommen.«
»Wieso denn das?«
»Das Holz ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und das Metall geschmolzen.«
»Nein!« Der Graf stieß einen lauten Klageruf aus. »Es ist ein unersetzliches Familienerbstück, schon seit vielen Generationen! Und mir wurde es am Tag meiner Heiligen Erstkommunion anvertraut!« Es dauerte ein, zwei Minuten, bis der Graf sich mit der Hiobsbotschaft abgefunden hatte. »Was soll’s! Das Schicksal spielt einem manchmal böse Streiche. Nicht genug, dass ich das Kreuz verloren habe, Grove ist auch noch einen Tag zu früh gestorben, um mir einen unschätzbaren Dienst zu erweisen.« Er starrte eine Weile stumm vor sich hin, dann gab er sich einen Ruck. »Nun, Mr Pendergast, ich glaube, Sie haben von mir nützliche Informationen erhalten. Da ist es sicher nicht allzu vermessen, wenn ich Sie nun um eine Gegenleistung bitte.«
»Ich bedauere sehr, aber ich bin nicht befugt, Auskünfte über laufende Ermittlungen zu geben.«
Fosco stutzte, aber auf einmal schien ihm alles klar zu werden.
»Nein, Verehrtester, ich spreche nicht von dem Mordfall, sondern von dem Ghirlandaio! Mir läge sehr daran, Ihre Meinung zu hören.«
Pendergast wandte sich zu dem Gemälde um und studierte es eine Weile. Dann sagte er: »Nun, ich glaube in den Gesichtszügen des Bauern den Einfluss des Portinari-Altars auszumachen.«
Ein strahlendes Lächeln verklärte das Gesicht des Grafen.
»Sie haben es erfasst. Welch geniale Vorahnung!«
Der Agent neigte fragend den Kopf.
»Oh, schon wieder ein Missverständnis! Ich rede nicht von Ihnen, verehrter Freund, sondern von der verblüffenden Vorahnung des Meisters. Er und die Portinaris waren eben verwandte Seelen, anders lässt sich nicht erklären, dass Ghirlandaio, viele Jahre bevor das Portinari-Triptychon nach Florenz gelangt ist, ein täuschend ähnliches Gesicht auf seine kleine Holztafel malen konnte!« Er drehte sich Beifall heischend zur immer größer werdenden Schar seiner Zuhörer um. Pendergast hielt dem triumphierenden Blick des Grafen gelassen stand. »Das ist nicht weiter verwunderlich. Ghirlandaio hatte die Studien gesehen, die der Familie Portinari von ihren Auftraggebern in Florenz als Anhalt für die gewünschte Ausgestaltung des Triptychons nach Flandern geschickt wurden. Es überrascht mich, Graf, dass Ihnen das nicht bekannt ist.«
Das Lächeln des Grafen verkümmerte. Aber Sekunden später hatte er sich schon wieder im Griff und brachte sogar die Größe auf, Pendergast zu applaudieren. »Exzellent, mein Verehrtester! Allem Anschein nach haben Sie mich auf meinem ureigensten Fachgebiet geschlagen! Ich muss Sie unbedingt näher kennen lernen, Mr Pendergast. Für einen Carabinieri sind Sie außerordentlich gebildet.«
9
D’Agosta lauschte mit wachsender Ungeduld dem Freizeichen aus dem Telefonhörer, das so leise klang, als habe er eine Nummer auf dem Mond gewählt. Hoffentlich ging sein Sohn Vincent gleich ran. Er hatte wirklich keine Lust, mit seiner Frau zu sprechen. Endlich hörte er ein Klicken, und eine Stimme, die er gut erkannte, sagte: »Ja?« Typisch, sie meldete sich immer mit »ja«!
»Ich bin’s«, sagte D’Agosta.
»Ja?«, wiederholte sie.
Herrgott noch mal! »Ich bin’s, Vinnie. Ich möchte gern mit meinem Sohn sprechen.«
»Das geht nicht.«
D’Agosta spürte seinen Adrenalinspiegel steigen. »Warum nicht?«
»Du wirst es
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