Perfekte Manner gibt es nicht
könnte man meinen …«
Plötzlich heulte eine ohrenbetäubende Sirene auf, begleitet von grellen, blinkenden Lichtern, die anscheinend in die Sprinkleranlage an der Decke eingebaut waren, um die Leute bei dichtem Rauch zu den Ausgängen zu dirigieren.
»Ah«, bemerkte Frank zufrieden, »endlich. Ich habe mich schon gefragt, wann das losgehen würde.«
Wegen des Feueralarms konnte man fast nichts anderes hören. Trotzdem glaubte Jack, die Stimme seiner Mutter zu erkennen.
Und tatsächlich – in einem seidenen rosa Morgenmantel tauchte sie aus dem grauen Rauch auf, in einer Hand Alessandro, in der anderen ihre Schmuckschatulle. »Frank!«, rief sie so hysterisch, wie Jack sie noch nie zuvor gesehen hatte. »O Frank!«
Dann beobachtete Jack etwas, das ihn ziemlich irritierte. Ehe er sich bewegen konnte, legte Lous Vater einen tröstlichen Arm um Eleanor Townsends Schultern. Dabei sagte er, die Lippen fast in ihrem Turban vergraben: »Alles in Ordnung, meine Süße. Nur ein kleines Feuer.«
Meine Süße?
Aber Eleanor schien ihn nicht zu hören. Sonst hätte sie sich gewiss verbeten, von Frank Calabrese Süße genannt zu werden. Stattdessen umklammerte sie die Aufschläge seines Bademantels, zwängte Alessandro
dazwischen und jammerte: »Wie schrecklich, Frank! Gerade wollte ich in Jacks Zimmer gehen, um zu sehen, ob es ihm gut geht. Und dort ist es passiert! Die Explosion! Stell dir vor, Jacks Zimmer ist ein Flammenmeer! Nur schwarzer Rauch und Feuer und …«
Auch Lou hatte die kleine Szene erschrocken verfolgt. Nun trat sie vor. »Beruhigen Sie sich, Mrs. Townsend, Jack ist hier, er war bei mir.«
Und Jack, nur mit Lous Betttuch bekleidet, fühlte sich gezwungen, seiner Mutter von der Tür aus zu winken. »Hi, Mom«, sagte er lahm.
29
Das Frühstück lief nicht besonders gut.
Vielleicht lag das an der Tatsache, dass ein Großteil der zehnten Hoteletage fehlte.
Denn weshalb sollte schon die Explosion einer Gästesuite das Personal zehn Stockwerke tiefer an der Arbeit hindern?
»Also, jetzt reicht’s.« Tim Lord schaute sich ungeduldig in der Nische um, wo sie zu dritt saßen. »Wo bleibt denn der Kellner? Ich muss sofort zum Set fliegen. Wenn ich den Jet verpasse …«
»Reg dich ab, Tim.« Lou, die ihm gegenübersaß, beugte sich vor. »Natürlich wird der Flieger auf dich warten. Ich weiß, das ist ein ungünstiger Zeitpunkt. Aber wir müssen über die geplante Sprengung des Minenschachts reden. Ich frage mich, ob heute noch nicht genug in die Luft geflogen ist? Können wir die Mine nicht verschonen?«
Der Regisseur sah sich im fast leeren Restaurant um. Offenbar frühstückten die meisten Gäste woanders, obwohl die Feuerwehr von Anchorage schon eine Stunde nach der Evakuierung versichert hatte, dem Gebäude drohe keine weitere Gefahr.
Aber Tim Lord ließ sich nicht von einer Bagatelle wie einer Explosion in der Suite seines Hauptdarstellers beirren. Immerhin musste er einen Film drehen. »Um Himmels willen, Lou!« Erbost starrte er den Rücken eines Kellners an, der mit einem Hilfskellner
schwatzte, vermutlich über den Brand in der zehnten Etage. »Wegen dieses kleinen Hubschrauberunfalls sind wir ohnehin schon spät dran. Und jetzt soll ich die Story ändern, die übrigens von dir stammt! Hast du heute Morgen zu viel Rauch eingeatmet?«
»Tim …«, versuchte sie es noch einmal. »Arktische Füchse. Süße, pelzige kleine Geschöpfe, so ähnlich wie Hunde. Die haben ihren Bau im Minenschacht. Wenn du den sprengst, sind viele süße kleine Tierchen obdachlos. Ist das die Message, die du in ganz Amerika verkünden willst? Dass Tim Lord sich nicht um arme kleine Welpen kümmert?«
»Um Junge«, warf Vicky ein.
Lou und Tim wandten sich zu ihr.
»Was, Schatz?«, fragte er.
»Kleine Füchse werden ›Junge‹ genannt.« Nachdem Vicky so viel Aufmerksamkeit erregt hatte, klang ihre Stimme ein bisschen schwach. »Nicht Welpen.«
»Also gut – Junge.« Die Stirn wie eine strenge Lehrerin gerunzelt, starrte Lou den Regisseur an. »Willst du diese lieben Tierchen umbringen?«
Endlich hatte der Kellner Tims hektische Gesten bemerkt und eilte herbei. Er sah blass aus und wirkte jünger als die neunzehn oder zwanzig Jahre, auf die Lou ihn schätzte. »Sir?«, würgte er nervös hervor.
»Die Rechnung, bitte. Möglichst schnell, ich will einen Flieger erreichen.«
»Oh … äh …«, stammelte der Kellner verwirrt. »Die müssen Sie nicht bezahlen, Sir, wegen … Sie wissen schon.«Er senkte die
Weitere Kostenlose Bücher