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Perfekte Manner gibt es nicht

Perfekte Manner gibt es nicht

Titel: Perfekte Manner gibt es nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cabot Meg
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merkte ihm die Enttäuschung an.
    »Und Ihre Tochter, Mr. Calabrese?«, fragte O’Malley. »Hat sie Erfahrungen in der Arktis gesammelt, die ihr eventuell helfen würden, eine so gefährliche Situation zu meistern? Das interessiert mich sehr, denn es könnte uns bei der Suche nach den beiden wichtige Anhaltspunkte liefern. Da draußen müssen unsere Flugzeuge nämlich ein riesiges Gebiet absuchen. Wenn Ihre Tochter vielleicht weiß, wie sie ihren Weg ohne Kompass findet …«
    Nachdenklich runzelte Frank die Stirn. Soviel er wusste, hatte Lou noch nie in der freien Natur kampiert. Sie war überhaupt nur selten aus dem Haus gegangen. In ihrer Kindheit hatte sie sich meistens mit einem Buch verkrochen. Oder sie hatte ferngesehen. Schon immer war es schwierig gewesen, sie vom Fernsehgerät wegzulocken.
    Und Helen war da auch keine große Hilfe gewesen. Natürlich hatte Frank ihr das nie vorgeworfen. Aber teilweise war es Helens Schuld gewesen, dass Lou in der Pubertät Gewichtsprobleme bekommen hatte. Statt das Mädchen zum Sport zu ermuntern, hatte sie Lou erlaubt, stundenlang fernzusehen. Helen pflegte zu sagen: »Sie liebt es so sehr. Und wem schadet es denn? Schau dir doch ihre guten Schulnoten an!«
    Gewiss, Lou hatte immer gute Zeugnisse nach Hause gebracht. Sogar schon, bevor sie sich einen Videorekorder leisten konnten. Helen hatte damals regelmä ßig in der Schule angerufen und behauptet, ihre Tochter
läge krank im Bett, während Lou in Wirklichkeit den Nachmittagsfilm im Channel Eleven nicht verpassen wollte. Das waren meistens Filme, in denen Jimmy Stewart die Hauptrolle spielte. Und diese Schauspielerin mit dem dünnen Hals, Audrey Sowieso.
    Glücklicherweise hatte Frank einen Videorekorder kaufen können, als Lou zwölf wurde, und ihre Mutter hatte die Nachmittagsfilme aufgezeichnet. Sonst hätte das Mädchen womöglich niemals den Highschool-Abschluss geschafft.
    Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Nein, Lou hatte nie für die freie Natur geschwärmt. Sie hasste Camping, und wenn sie auf Wanderschaft ging, dann höchstens durchs Einkaufszentrum.
    Doch sie hatte jeden Film gesehen, der jemals gedreht wurde. Das wusste er genau. Und so sagte er: »Filme.« Erwartungsvoll schaute er den Sheriff an, der – im Unterschied zu allen anderen Anwesenden – zu verstehen schien, was das bedeutete.
    »Hat sie viele Überlebensfilme gesehen?«, fragte O’Malley.
    »Jeden einzelnen dieser gottverdammten Streifen!« Dann fügte Frank mit einem zerknirschten Blick in Eleanors Richtung hinzu: »Tut mir leid.«
    Doch der Ausdruck schien sie kein bisschen zu stören. »Filme«, wiederholte sie gedankenverloren. »Nun, ich überlege mir …«
    Aber Frank musste sich nichts überlegen. Weil er Bescheid wusste. Wenn es tatsächlich einen Film übers Überleben in der Arktis gab, hatte Lou ihn bestimmt gesehen. Nur lautete die entscheidende Frage – würde ihr das was nützen?

15
    »Jesus, Lou!«, rief Jack über eine seiner unglaublich breiten Schultern, auf die Lou am liebsten Dart-Pfeile geschossen hätte, wären zufällig welche verfügbar gewesen. »Nun kommen Sie endlich!«
    Sie wischte eine lange rote Locke beiseite und zog ihren Fuß aus der Schneewehe, in der sie versunken war. Obwohl sie ihre Hosenbeine schon vor langer Zeit in die kniehohen Stiefel gestopft hatte, sickerte immer noch Schnee ins Leder und drang bis zu ihren halb erfrorenen Zehen vor.
    » Kommen Sie endlich, Lou! « , murmelte sie vor sich hin. » Beeilen Sie sich, Lou! Klar, Townsend, Sie haben leicht reden. Versuchen Sie doch mal, mit Fünfzentimeterabsätzen durch den Schnee zu stapfen. Dann wollen wir mal sehen, wie schnell Sie vorwärtskommen.«
    Vorsichtig machte sie einen Schritt. An manchen Stellen hatte sich eine Eisschicht über dem Schnee gebildet, und auf die konnte sie treten, ohne im weißen Pulver einzusinken.
    Doch nicht dieses Mal. Ihr Stiefel verschwand im Schnee, und sie sah ihr Bein nur mehr vom Knie an aufwärts. Blöder Schnee! Mit gutem Grund war sie nach Kalifornien gezogen, nicht nur weil Barry darauf bestanden hatte, um seine Schauspielkarriere voranzutreiben. Nein, es war auch ihr eigener Wunsch gewesen, denn es bedeutete, sie würde nie wieder
durch dieses eklige Zeug waten müssen, durch knietiefen …
    »Schnee«, flüsterte sie und schaute blinzelnd zum grauen Himmel hinauf. Unmöglich, das konnte nicht wahr sein.
    Aber es schneite tatsächlich. Schon wieder. Der Himmel füllte sich mit Flocken, die viel zu schnell

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