Perlenregen
klitzekleine Dinge, dir mir an ihm nicht gefallen, aber die gibt es an mir selbst doch auch. Niemand ist perfekt. Bestimmt wird er mir irgendwann mehr über seine Familie erzählen – oder darüber, wo er überhaupt herkommt. Über seine Vergangenheit weiß ich praktisch nichts. Ach was, das kommt schon noch, schließlich sind wir erst seit drei Wochen zusammen. Wir lassen es nicht langsam angehen, sondern sehen uns täglich.
Daniels Wohnung ist zwar noch kleiner als meine, aber dafür fühle ich mich nicht ständig von meinen Eltern beobachtet , was ich sehr genieße. Also sind wir meistens bei ihm. Nach der Arbeit fahre ich oft schon direkt zu ihm; viele meiner Klamotten liegen bereits in seinem Kleiderschrank. Dann essen wir zu Abend – Daniel kocht richtig gut! Meistens machen wir es uns danach auf seiner Couch gemütlich, schauen Filme, fangen an zu kuscheln und landen später im Bett. Es könnte besser nicht sein.
„Langweilig wie ein altes Ehepaar“, kommentierte Kathi meine Beschreibung unseres Glücks.
Ich hatte sie aus Pflichtbewusstsein zu einem Sonntagsfrühstück in der City eingeladen, aber es war nicht wie früher. Kathi gab mir das Gefühl, als säße ich auf der Anklagebank. Wie aus einem Maschinengewehr feuerte sie ihre Fragen auf mich ab.
„Warum muss man sich denn gleich täglich sehen?“
„Warum nicht, Kathi? Nenn mir nur einen vernünftigen Grund, warum man sich rar machen sollte, obwohl man ja doch nichts Besseres zu tun hat!“
„ Einen Grund? Es gibt unzählige Gründe! Der Sex wird langweilig.“
„Unser Sex ist nicht langweilig, das kannst du mir glauben.“ Ich musste lächeln.
„ Noch nicht, Nela, noch nicht. Wart’s mal ab, das kommt von ganz alleine. Spätestens in einem halben Jahr kennst du all seine Handgriffe, jede Stellung auswendig und bei seinen Küssen pennst du weg. Das war jedenfalls der erste Grund. Zweiter Grund: Man hat sich nichts zu erzählen. Verstehst du? Wenn man sich jeden Tag sieht, erlebt man ja gar nichts mehr alleine! Man wird absolut vorhersehbar, kein spannendes Fitzelchen bleibt mehr von einem übrig. Du kennst deinen Superlover Daniel bald wie dich selbst. Gähn!“ Demonstrativ hielt Kathi sich ihre Hand vor den Mund und simulierte tiefe Müdigkeit.
„Ja, ja, kenn ich alles. Ich hab das auch geglaubt. Aber die Wahrheit ist, dass ich es nun einmal langweilig mag. Ich bin kein spannender Charakter und habe sowieso keine tollen Geschichten auf Lager. Mein Bedarf an Geheimniskrämerei ist gedeckt. Jetzt will ich meine Ruhe, und zwar mit meinem Schatz.“
„Du nennst ihn Schatz ?“
„Was dagegen?“
„Das ist der Anfang vom Ende!“, orakelte Kathi mit düsterer Miene. „Sag nicht, dass ich dich nicht gewarnt habe. Wer sich Schatz nennt, kann den Sargdeckel schon mal von außen zunageln.“
Ich kann Kathis Neid nur schwer ertragen. Denn was soll das anderes sein als die pure Eifersucht auf die Tatsache, dass ich einen Freund habe und sie nicht? Meine Eltern jedenfalls sind schwer begeistert und froh, dass ihre Tochter nun doch nicht als alte Jungfer sterben muss. Dieses Horrorszenario hat Nico ihnen eingetrichtert, auf den ich immer noch sauer bin. Bevor er sich nicht anständig für sein blödes Verhalten im Harz bei mir entschuldigt, kann er mir gestohlen bleiben.
Oma und Ruth zicken herum. Am Telefon habe ich Oma neulich erzählt, dass ich mit Daniel zusammen bin. Dass er ein toller Typ ist, sehr nett und hübsch sei und all die Dinge, die man seiner Großmutter eben erzählt. Ich konnte ihr ja schlecht berichten, dass mein neuer Freund es gerne mag, wenn ich oben liege. Sie reagierte anders als erwartet.
„ Bitte erzähl das Ruth und mir doch noch mal von Angesicht zu Angesicht. Irgendwas gefällt mir nicht an deiner Geschichte. Und was ist überhaupt mit dem schmucken Juwelier?“
„Geschichte? Oma! Glaubst du, dass ich dich anlüge? Warum sollte ich das tun? Das finde ich jetzt schon ein bisschen … hm, komisch von dir. Und über Leon möchte ich nicht sprechen.“
„Komm mal Samstag zum Kaffee, wenn Ruth auch hier ist. Wir werden den Dingen schon auf den Grund gehen. Der Zweifel ist das Wartezimmer der Erkenntnis!“
„Was?“ Manchmal kann ich Oma nur schwer folgen.
„Nichts, nichts, Nelchen. Irgendetwas sagt mir, dass du nicht glücklich bist. Wenn ich mich irre, ist es nur gut. Wir werden sehen.“
Jetzt sitze ich in Omas Küche, lasse mich schon wieder befragen. Warum wollen eigentlich alle andauernd über mein
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