Perlenregen
Seelenleben Bescheid wissen? Ich hätte Daniel mitbringen sollen, dann wären die Zweifel der beiden alten Damen sofort beseitigt gewesen. Stattdessen behandelt man mich nun so, als habe ich ein Verhältnis mit Silvio Berlusconi angefangen.
„Positiv ist, mein Kind, dass du jetzt viel lockerer bist. Du siehst endlich wie eine Frau aus und nicht mehr wie ein Mannequin aus diesem Sportschuh-Katalog!“
„Das stimmt, Christa“, pflichtet Ruth Oma bei, während sie uns allen einen Schluck Schnaps nachschenkt.
„Ich muss noch fahren“, protestiere ich halbherzig. Sie meint doch hoffentlich nicht den Lands‘ End -Katalog? Pah!
„Sabbel nicht rum“, befiehlt Oma, „dein neuer Freund kann dich zur Not abholen. Oder du schläfst heute Nacht hier.“
„Das geht nicht, ich muss heute noch zu Daniel. Wir wollen unsere neue Lieblingsserie weitergucken!“
Oma und Ruth werfen sich einen vielsagenden Blick zu. Kathi würde jetzt sehr gut zu ihnen passen. Gemeinsam würden sie mich fertigmachen, klitzeklein. Nela Steinchen hat es einfach gewagt, sich in einen wunderbaren Mann zu verlieben.
„Ihr seid schon beim gemeinsamen Fernsehen angekommen, soso!“, sagt Oma streng. „ Nelchen, du weißt sicherlich, dass du das noch den Rest deines Lebens mit einem Ehemann machen kannst.“
Wie verächtlich sie das Wort Ehemann ausspricht, hat schon eine ganz besondere Qualität.
„Vielleicht heirate ich Daniel ja, dann ist er mein Ehemann. Darf ich dann mit ihm fernsehen oder ist das auch nicht erlaubt? Was habt ihr eigentlich alle gegen ihn? Ihr kennt ihn doch gar nicht! Er ist super, wirklich!“
Ruth räuspert sich, macht ein wichtiges Gesicht.
„Die Frage ist nicht, was dein Daniel für eine Figur abgibt. Die Frage ist: Was ist mit Leon? Hast du ihn nochmal gesehen? Wieso hast du ihn auf einmal vergessen? Das verstehen deine Oma und ich überhaupt nicht. Nicht wahr, Christa, das verstehen wir nicht!“
„Das verstehen wir nicht. Und lüg uns nicht an. Ich sehe genau, dass du uns etwas verschweigst. Hattest du etwa wieder eine Erscheinung?“
Sie haben mich ertappt. Mit glühenden Wangen schaue ich zu Boden, betrachte angestrengt meine Fußspitzen. Oma merkt einfach alles. Wenn ich ihnen die Sache aus dem Diner erzähle, wird es noch schlimmer mit ihren Vorwürfen, aber ich bin froh, dass ich es endlich jemandem erzählen kann.
„Ja, also, Erscheinung … Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Vermutlich war es nur ein Traum oder so. Ein Wachtraum, genau! Ach, ich müsst mir wirklich versprechen, dass ihr es niemandem erzählt! Gar keinem, versteht ihr? Wenn Daniel das hören würde, muss er doch denken, ich sei verrückt! Schwört es!“
„Ein Geheimnis ist eine Waffe und ein Freund“, sagt Oma. Sie und Ruth heben feierlich die rechte Hand zum Schwur. Fast bin ich gerührt, aber vielleicht sind wir auch alle nur ein bisschen betrunken.
„Na gut. Ich war ja mit Papa, Mama und Nico im Harz, nicht?“
„In Goslar?“, wirft Ruth ein. „Da haben wir unseren Hochzeitstag gefeiert … War das jetzt mit Willi oder mit Walter?“
„Das tut jetzt nichts zur Sache. Sprich weiter, Nelchen!“
„In der Nähe von Goslar, ein kleines Kaff namens Wolfshagen.“
„Ach, das kenne ich!“, ruft Ruth entzückt. „Da gibt es ein ganz zauberhaftes Schwimmbad. Und eine Minigolf-Anlage! Jetzt weiß ich es wieder, ich war mit Willi dort! Wie gerne erinnere ich mich an unsere Wanderungen damals!“
„Ich nicht. Ich hasse den Harz“, sage ich.
Jetzt will ich es auch hinter mich bringen mit meinem Bericht.
„ Jedenfalls waren Nico und ich mit Papas Auto unterwegs. Wir haben uns wegen irgendwas gestritten und er schmiss mich aus dem Wagen.“
„Wieso das denn? Wieso habt ihr euch gestritten?“, fragt Oma.
„Ach, Geschwisterstreit, hab ich schon vergessen“, lüge ich.
„Siehst du, Nelchen, das meine ich. Du lügst so unglaublich schlecht. Von mir hast du das nicht, von deinem Vater übrigens auch nicht. Ich schätze, es kommt von deiner Mutter. Ihr sehe ich auch gleich an, wenn sie ihre selbstgemachte Nusstorte in Wirklichkeit aus dem Tiefkühlschrank geholt hat.“
„Ja! Du hast gewonnen! “, sage ich augenrollend. „Nico meinte, ich sei langweilig und bräuchte einen Freund. So was in der Art warf er mir an den Kopf, dabei geht es ihn überhaupt nichts an! Er ist mein Bruder, nicht mein Vater! Und den ginge es übrigens auch nichts an, immerhin bin ich erwachsen! Außerdem hab ich jetzt ja einen Freund
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