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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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gefährlich, und Gerüchten zufolge war dort vor Jahren jemand in den Tod gestürzt. Nun flitzte Helen im Nachthemd zu dem gemauerten Turm. Zu ihrer Überraschung war die Tür an der Seite unverschlossen, und sie stürmte die Treppe hoch, wobei sie immer drei Stufen auf einmal nahm. Über ihrem Kopf sah sie ein viereckiges Stück Himmel. Höher und höher lief sie, bis sie schließlich in der strahlenden Morgensonne auftauchte.
    Da, direkt vor ihr, hing ein langes, geknotetes Seil. Helen griff danach und zog mit aller Kraft, bevor sie sich daran festklammerte und begann, von Seite zu Seite zu schwingen. Ein lautes Ding-Dong dröhnte in ihren Ohren, und unter ihr sah sie die erschrockenen Gesichter einiger Lehrerinnen, darunter das der lieben Miss Diamond, und ein paar Mädchen, die auch in ihren Flanellnachthemden herausgelaufen waren, um zu sehen, was um alles in der Welt los war.
    » DER KRIEG IST AUS !«, rief Helen laut und ließ den Blick über die Kuppen der Hügellandschaft schweifen. In der Ferne konnte sie die antiken Steinkreise von Stonehenge erkennen. Vielleicht hielt Roger sich dort versteckt, nachdem er zurückgekehrt war, um sie zu suchen. Denn das würde er sicher tun! Das wusste sie. Nun, da der Krieg vorbei war, würde auch ihr Bruder Geoffrey nach ihr suchen, und vielleicht konnten sie dann Frank holen und alle gemeinsam unter einem Dach leben. Wieder eine richtige Familie sein.

30
    Wie viele ihrer Landsleute nahm Helen an, dass nun, da der Krieg offiziell beendet war, das Leben innerhalb kürzester Zeit zur Normalität zurückkehren würde. Natürlich gab es nichts, was Mummy wieder lebendig machen konnte, aber Helen und die Jungs waren doch bestimmt alt genug, um ein Haus zu mieten, oder? Sie würde sich dann um den Haushalt kümmern, und ihr Vater würde erkennen, dass er nicht wirklich auf Edna angewiesen war und dass er sie nur geheiratet hatte, »um eine Frau um sich zu haben«, wie Tante Phoebe sagte. Alles würde gut werden, soweit das im Hinblick auf das Steingrab ihrer Mutter in Oxford möglich war.
    Wenn Roger sich doch nur beeilen würde mit seiner Heimkehr.
    »Es ist nicht so einfach, Helen«, erklärte Beths Mutter ihr, als sie über das Wochenende zu Besuch war. »Die Kriegsgefangenen sind auf der ganzen Welt verteilt. Man kann sie nicht so schnell nach England zurückbringen.«
    Helen konnte nicht begreifen, warum das so lange dauerte. Die Freundin ihrer Mutter, Diana, hatte ihr geschrieben, dass sie bald an Bord eines großen Schiffs gehen werde, das sie nach Amerika brachte, wo ihr neuer Ehemann sie erwartete. Warum konnte man nicht auch solche Schiffe bereit stellen, um ihren Bruder und all die anderen Brüder dort draußen zurückzuholen?
    »Genau das tun wir«, versuchte Beths Vater ihr zu erklären. »Aber es handelt sich um eine große Zahl von Menschen, die wir transportieren müssen. Ich weiß, Liebes, es ist schwer für dich, aber versuche trotzdem, dich auf deine Prüfungen zu konzentrieren. Dein Bruder wird sehr stolz auf dich sein, wenn du bestehst.«
    Monate verstrichen, dann ein Jahr, aus dem schließlich zwei wurden. Nicht mehr lange bis zu der großen Abschlussprüfung, die Helen und Beth scherzhaft »McTrick« nannten, weil sie, darin waren sich beide einig, ein paar Tricks gebrauchen konnten, um durchzukommen.
    Unterdessen beschloss Geoffrey, in der Armee zu bleiben, obwohl kein Krieg mehr war. Er hatte sich in ein Mädchen namens Penelope verliebt, das mit seinen hübschen blonden gewellten Haaren und der genauen Aussprache auf Helen einen sehr eleganten Eindruck machte. Sie hatten sich kennengelernt, als er in der Nähe von Penelopes Zuhause stationiert gewesen und mit ihrem Vater ins Gespräch gekommen war, der, nachdem er erfahren hatte, dass Geoffrey singen und Klavier spielen konnte, ihn mit nach Hause genommen und seiner Tochter vorgestellt hatte, die es auch liebte, im Kreis der Familie am Klavier zu singen.
    Frank war zu einem schlaksigen Teenager herangewachsen, der inzwischen offenbar »wie ein Wasserfall redete«, wie es ihr Vater ausdrückte. Er hatte bloß aus Tante Phoebes Haus kommen müssen, um seine Sprache wiederzufinden. Und nun war er mit Edna, die er offenbar wie eine Mutter betrachtete, und seinem Vater auf dem Weg in den Norden Borneos.
    Selbst Beth würde bald nicht mehr in der Nähe sein, wenn sie die Schule verließen, da ihre Eltern beabsichtigten, sie in die Schweiz auf ein weiterführendes Mädchenpensionat zu schicken. Zurzeit war

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