Perlentöchter
eine abgekühlte Stimmung zwischen Mutter und Tochter, und Helen bekam unweigerlich das Gefühl, dass sie einen Teil ihres Lebens verloren hatte, den sie mit ihrer geliebten Ältesten hätte verbringen können.
Währenddessen war Peters Sohn wütend auf seinen Vater, der so schnell wieder geheiratet hatte, und verlangte eine Entschädigung von mehreren tausend Pfund, weil er nach Peters Tod nicht mehr Alleinerbe sein würde. Helen war bestürzt über diese Forderung. Da Peter das aber völlig angemessen zu finden schien, fand sie sich damit ab, um keinen Streit zu provozieren.
Finanziell sah es nun viel besser aus. Sie überredete Peter, sein schreckliches Haus im Norden von Ealing zu verkaufen, in dem er den Großteil seines Ehelebens verbracht hatte. Helen hatte es beim Rundgang gefröstelt, während sie sich vorsichtig durch das Haus bewegte, vorbei an Valerys verstaubten Christrosen in den ungewässerten Töpfen und an der stickigen Luft in dem ehelichen Schlafzimmer mit der Tagesdecke aus blassrosa gemustertem Frottierplüsch und den hässlichen Bildern an der Wand.
Ihre Wohnung war zwar klein, aber gemütlicher und wärmer als dieses Haus, das keine Zentralheizung hatte. Nachdem es verkauft war und Peter seinen Sohn ausbezahlt hatte, konnten sie sich von nun an das Leben leichter machen. Sie wollten bald in den Ruhestand gehen, erzählten sie den Kindern, und vielleicht ab und zu verreisen.
Manchmal musste Helen sich kneifen. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie sich etwas Spaß erlauben, und es war wirklich schön, wieder einen Partner zu haben. Peter und sie fuhren an einem Wochenende nach Amsterdam, um sich die Tulpen anzusehen. Sie machten Urlaub in Frankreich, wobei Helen die ganze Strecke allein fuhr. Sie hatte zwar Peter überredet, Fahrstunden zu nehmen, aber der Fahrlehrer hatte ihm behutsam nahegelegt, sich besser auf Panzer zu beschränken. Im Winter flogen sie nach Mallorca.
Und dann erhielt Helen das wunderbarste Geschenk von allen. Caroline rief an und teilte ihr mit, dass sie ein Kind erwartete, dessen Geburt für den Hochzeitstag des jungen Paares berechnet war.
»Ist das nicht wundervoll?«, sagte Helen schwärmend zu ihrer Tante am Telefon. Und dann, bevor Phoebe ihr zuvorkommen konnte, fügte sie hinzu: »Ich weiß, sie ist noch jung, aber wenigstens hat sie es in der richtigen Reihenfolge gemacht.«
Dies war ein leichter und, wie Helen wusste, ziemlich unfairer Seitenhieb auf die Tochter eines ihrer Brüder, die vor kurzem schwanger geworden war und keinerlei Anstalten machte zu heiraten.
»Ich freue mich sehr für sie.« Phoebes Stimme, auch wenn sie brüchiger klang, hatte immer noch denselben kühlen Unterton wie früher.
Was war nötig, damit ihre Tante sie mochte?
»Man kann es nicht allen recht machen, meine Schöne«, sagte Peter hinterher und nahm sie liebevoll in den Arm, sodass die Dinge, die ihr nicht an ihm gefielen, plötzlich belanglos zu sein schienen. »Du hast ja mich, und außerdem wirst du bald Großmutter. Das hast du dir immer gewünscht.«
Allerdings. Sie konnte es kaum erwarten. Endlich würde alles gut werden. Caroline würde, so hatte sie Helen erklärt, weiter Kartendesigns für den Verlag entwerfen, bei dem sie nach ihrem Studium angefangen hatte. Sie würde zunächst in Mutterschutz gehen und anschließend das Baby zu einer Tagesmutter bringen, außer Helen konnte hin und wieder einspringen. (Einspringen? Sie würde sie gar nicht mehr loswerden!)
Simon war inzwischen politischer Redakteur bei einer seriösen Tageszeitung, die selbst vor Onkel Victors Augen Gnade fand. Und Grace war unglaublich erfolgreich bei einer Marketingfirma in der Londoner Innenstadt und hatte sich mittlerweile einen Freund zugelegt, dessen Scheidungsverfahren gerade lief. Ein Baby würde das Ganze perfekt machen.
Und dann kam der Anruf mitten in der Nacht.
Helen fuhr mit Peter ins Krankenhaus, aber als sie dort eintrafen, war es bereits zu spät. Eine niedergeschlagene, weinende Caroline lag im Bett, blass und ohne ihren Mann, der anscheinend bei einem Meeting in der Redaktion unabkömmlich war. »Glaubst du, ich werde jemals ein Kind bekommen?«, heulte ihre Tochter los und klammerte sich an ihr fest, während Peter sich taktvoll die Beine im Flur vertrat, der nach Desinfektionsmitteln roch.
»Aber natürlich, mein Schatz.«
Das Telefon klingelte, als sie die Haustür aufschloss. Es war Tante Phoebe. Tante Phoebe, die sonst nie anrief. Sofort begann Helen, ihr von
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