Perlentöchter
Verkaufserfolg gefeiert! Simon hatte sie überredet, eines ihrer Bilder einem nahe gelegen Geschenkeladen anzubieten. Die Besitzerin liebäugelte damit, Kunst in ihr Sortiment aufzunehmen, und meinte, das frische Narzissenmotiv sei genau das, was sie suche, darum wollte sie es mit Caroline probieren. Es verkaufte sich noch in derselben Woche, und seitdem belieferte Caroline den Laden mit Bildern, üblicherweise Landschafts- und Naturszenen, da sie sich im Gegensatz zu ihrem Ururgroßvater mit Porträts schwertat.
Nun, als Caroline schließlich mit einem gehorsamen Wilfred an ihrer Seite zum Haus zurückkehrte, war sie in Gedanken bei ihrer nächsten Auftragsarbeit für ein Paar, das vor kurzem in der Nachbarschaft eingezogen war. Es wünschte sich eine Straßenansicht seines hohen weißen, im Regency-Stil erbauten Domizils, und obwohl Caroline noch nie ein Gebäude gemalt hatte, hatte sie sich bereit erklärt, es zu versuchen. Tatsächlich waren die ersten Entwürfe vielversprechend, vorausgesetzt, sie kam endlich weiter. Schon erstaunlich, wie diese Runden mit dem Hund den halben Tag verschlangen. Da, schon wieder das Telefon! Fast hätte Caroline es ignoriert, aber es konnte womöglich die Schule sein wegen der Kinder.
»Carrie?«, fragte eine Stimme, die einem ihrer früheren Lehrer beim Morgenappell hätte gehören können.
Zu spät. Caroline wünschte, sie hätte den Anrufbeantworter anspringen lassen. Wenn sie ihre Schwester in einem unpassenden Moment erwischte, fragte Grace immer, ob sie später zurückrufen könne. Aber Caroline wusste aus Erfahrung, dass Grace eingeschnappt reagierte, wenn sie es genauso handhabte. Sie musste immer im Mittelpunkt stehen.
»Ich habe nicht viel Zeit!« Ihre Schwester redete, als hätte Caroline sie angerufen und nicht umgekehrt. »Ich wollte nur wissen, wie es meinem Hund geht.«
»Gut.« Caroline beobachtete Wilfred, der gerade das Katzenfutter verschlang. »Wann kommst du ihn mal besuchen?«
»Sobald ich kann! Du hast ja keine Ahnung, wie viel Arbeit ich momentan habe.«
Da Caroline ständig zu hören bekam, keine Ahnung von ziemlich vielen Dingen zu haben, sparte sie sich einen Kommentar. Offen gestanden, war es einfacher so. Selbst ihre Mutter hatte zugegeben, dass Grace ein anstrengendes Kind gewesen war, was sich nun, im Erwachsenenalter, keinen Deut gebessert hatte. Aber Schwestern waren Schwestern, und seit dem Tod ihrer Mutter war beiden deutlich bewusst, dass sie nur einander hatten.
Caroline versuchte, die Wogen zu glätten. »Und wann erzählst du mir mehr von deinem neuen Freund und dieser merkwürdigen Geschichte mit Tante Phoebe und ihren Schulden?«
»Das ist kompliziert.« Caroline sah bildlich vor sich, wie am anderen Ende der Leitung ihre Schwester ihre Frage als nebensächlich verwarf. »Hör zu, der Notar hat mich angerufen. Er möchte, dass wir beide nach Wiltshire kommen und vor der Versteigerung Phoebes Sachen durchsehen. Aber – halt dich fest! – wir müssen ihm das Zeug abkaufen, wenn wir was haben wollen!«
Caroline blickte hinaus zu der Hütte am Ende des Gartens und fragte sich, ob sie heute noch dorthin kommen würde. Nur vor ihrer Staffelei konnte sie sich richtig entspannen. Folglich reagierte sie ein bisschen zerstreut. »Ich kapiere das nicht. Ich dachte immer, Tante Phoebe schwimmt in Geld. Warum war sie so hoch verschuldet?«
»Spielsucht.«
»Was?«
Grace lachte leise. »Ich weiß. Darren sagt, erstaunlicherweise kommt das bei Frauen in reifem Alter recht häufig vor. Ich habe bei der Beerdigung zufällig aufgeschnappt, dass Phoebe angeblich nach Pferderennen süchtig gewesen sein soll, genau wie ihre Mutter, die wohl immer heimlich gewettet hat. Offenbar hat sie gerne auf Jockeys in violettem Trikot gesetzt. Violett war ihre Lieblingsfarbe.«
»Unsere Urgroßmutter Louisa? Aber ich dachte, sie war ein Pflegefall. Und wer ist Darren?«
»Carrie, hör auf, mir Löcher in den Bauch zu fragen! Hör zu, ich kann nur morgen nach Wiltshire, weil ich danach schon wieder nach Paris muss. Sollen wir zusammen fahren?«
Caroline rekapitulierte kurz in Gedanken den morgigen Tagesablauf der Kinder. Sie wollte eigentlich ein Cricketmatch der Jungs besuchen, obwohl das nicht so superwichtig war. Vielleicht hatte Simon recht; Scarlet war wirklich alt genug, um nach der Schule mit Wilfred rauszugehen, und es würde vielleicht sogar das Verhältnis zu ihren Brüdern verbessern, wenn sie die beiden mitnahm. Der große Altersunterschied
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