Personenschaden
waren offenbar in den Thread übergewechselt, der inzwischen gelöscht worden war.
Schwarz bat Eva, sämtliche Beiträge von Amok auf Hinweise zu seiner Identität zu überprüfen. »Das muss der Mann sein, den ich suche. Irgendwie scheint er es geschafft zu haben, Matthias Sass so lange gezielt zu manipulieren, bis er ihn als Waffe gegen den Lokführer Engler einsetzen konnte.«
Sie lasen um die Wette, doch die Ausbeute war gleich Null. Amok hatte alles daran gesetzt, ein Phantom zu bleiben.
Schwarz’ Handy klingelte. Es war seine Mutter: Sie werde über Nacht in Waldram bleiben, sie habe zu tun. Erst jetzt merkten Schwarz und Eva, dass es Abend geworden war. Auf der Landsberger war die Straßenbeleuchtung eingeschaltet, die ersten Autos fuhren mit Licht und der Himmel war von einem dramatischen Sonnenuntergang rot überflammt.
»Hast du eigentlich Hunger?«, fragte Schwarz.
»Wenn du so fragst: und wie!«
Er wärmte den Borschtsch noch mal auf, dazu tranken sie Bier. Eva konnte nicht glauben, dass Schwarz’ Mutter nie jüdisch gekocht hatte und sich jetzt noch an ein Rezept aus ihrer Kindheit erinnerte.
»Sag mal, will deine Mutter eigentlich bei dir wohnen bleiben?«
Schwarz überlegte kurz, ob er von den W G-Plänen seiner Mutter erzählen sollte, von denen Eva offenbar nichts wusste, behielt sie aber lieber für sich. »Es gibt verschiedene Überlegungen, auf jeden Fall will sie in der Stadt bleiben.«
»Wenn es euch hier zu eng wird, kann sie gern für eine Weile zu mir kommen«, sagte Eva. »Ich fühle mich manchmal ziemlich allein in dem großen Haus.«
»Verstehe«, sagte Schwarz. Als er Eva das zweite Bier einschenken wollte, schüttelte sie den Kopf. »Dann kann ich nicht mehr fahren.«
»Bleib halt hier.« Er war überrascht, wie selbstverständlich ihm das über die Lippen gegangen war – als hätte jemand anderer für ihn gesprochen oder zumindest ein Teil von ihm, der sich seiner Kontrolle entzog.
Sie lächelte. »Du bist doch nur zu faul, mich wieder runterzuschleppen.« Dann nahm sie einen Schluck Bier und alles war gesagt.
Später lieh Eva sich ein Nachthemd von Schwarz’ Mutter aus. Sie verschwand mit dem Rollstuhl im Bad und er machte sich Sorgen, die sanitären Einrichtungen könnten sie vor Probleme stellen. Aber keine Viertelstunde später kehrte Eva im altmodisch geblümten Négligé zurück, rollte neben das Schlafsofa und glitt unter die Decke.
Sie hatten sich längst eine gute Nacht gewünscht und das Licht gelöscht, als Schwarz Eva plötzlich flüstern hörte. »Magst du zu mir kommen?«
Was für eine Frage. Er hätte ohnehin kein Auge zugemacht.
»Leg dich hinter mich und halt mich fest.«
Er spürte ihre Wärme und atmete ihren Duft. Fremd. Und zart. Und aufregend.
»Anton«, sagte Eva plötzlich und drehte ihr Gesicht zu ihm, »was ist, wenn ich nicht operiert werden kann?«
Er zog sie enger an sich und küsste ihr Haar.
27.
Schwarz kam zu spät, weil er Eva zum Flughafen gebracht hatte.
»Sie hätten mich anrufen müssen«, sagte Thomas Engler verstimmt und schloss die Wohnungstür hinter ihm. »Ich will täglich ein kurzes Update. Das wird ja wohl möglich sein bei Ihrem Honorar.«
»Möglich auf jeden Fall«, sagte Schwarz und ließ offen, ob er es in Zukunft auch so halten würde. Er ging zu dem Refektoriumstisch in der Mitte des großen Wohnraums und zog einen Stoß Papier aus seiner abgegriffenen Aktentasche. Engler sah ungeduldig auf die Uhr. »In fünf Minuten kommt mein Fahrer. Ich muss zu einem Meeting nach Frankfurt.«
»Dann sehen wir uns vielleicht besser morgen?«
»Nein, nein, sagen Sie schnell, was Sie rausgefunden haben.«
Schwarz berichtete kurz über den Besuch bei der Mutter von Matthias Sass, seine Fahrt zum Holzverladebahnhof und das Suizid-Forum, das der spätere Selbstmörder frequentiert hatte.
Engler hörte mit wachsendem Interesse zu. »Interes sant .«
Schwarz hob die Schultern. »Damit ist zumindest geklärt, wie Sass den Mann kennengelernt hat, der ihn vermutlich bei seinem Suizid begleitet hat. Und wir haben eine hervorragende Beschreibung.«
»Haben Sie sich wegen des Pseudonyms schon an den Administrator gewandt?«
»Noch nicht.«
»Die wissen manchmal, wer sich hinter den Namen versteckt. Darf ich?«
Er nahm Schwarz den Ausdruck aus der Hand. »Hier, dasImpressum. Unter dieser Adresse müssten Sie ihn eigentlich erreichen.«
»Glauben Sie, der gibt seine korrekten Daten an?«
»Sicher. Sonst bekommt er eine
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