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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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weit auf, wie es die niedrige Decke zuließ, und Andrej begriff, dass er nicht so einfach an ihm vorbeikommen würde.
    »Du hast so tief geschlafen, dass ich es einfach nicht übers Herz gebracht habe«, brummte Abu Dun auf Arabisch. »Wie ein Baby.«
    Andrej reagierte mit einem ärgerlichen Blick, der den nubischen Riesen erwartungsgemäß völlig unbeeindruckt ließ. Aber darauf kam es ihm auch nicht an. Mit seinen ungewöhnlich scharfen Sinnen tastete er nach Ayla und versuchte zu erspüren, ob sie sich hinter dem Vorhang verbarg. Aber es gelang ihm nicht, ganz im Gegenteil: Das Gefühl, dass sie sich in seiner Nähe aufhielt, verflüchtigte sich wie ein Spuk.
    Mit einem entschlossenen Ruck wandte er sich um und verließ die Hütte. Die warme Salzwasserluft, die ihm entgegenschlug, kam ihm mit einem Mal viel frischer und wohlriechender vor als noch vor einer Minute.
    Abu Dun schob die Tür hinter sich zu und sog demonstrativ die Luft durch die Nase ein. »Es gibt doch nichts Schöneres als einen Morgen am Meer, meinst du nicht auch?«, fragte er, jetzt wieder auf Italienisch.
    »Was willst du mir damit sagen?«, gab Andrej auf Arabisch zurück.
    »Sagen, Massa?« Abu Dun war wirklich gut darin, den Begriffsstutzigen zu spielen.
    »Was tun wir hier?« Andrej machte eine Kopfbewegung auf die Pestmond, die wie ein gestrandeter Wal an dem viel zu kleinen Steg lag. »Ich dachte, wir hätten es eilig.«
    »Das haben wir auch«, antwortete Abu Dun. »Aber wie es aussieht, hat unser famoses Schiffchen mächtige Prügel einstecken müssen.«
    Andrej blickte fragend, und Abu Dun machte ein übertrieben verlegenes Gesicht. »Ali hat gesagt, wir schaffen es nicht mehr bis Rom. Ich hätte dich ja geweckt, aber nicht einmal du hast Daumen, die dick genug sind, um alle Löcher zu stopfen. Obwohl uns vielleicht noch eine Möglichkeit geblieben wäre …« Er hob die künstliche Hand und betrachtete nachdenklich die wuchtigen Eisenfinger.
    »Wir sind nicht leckgeschlagen«, sagte Andrej überzeugt.
    Abu Dun schürzte die Lippen. »Ich bitte dich, Hexenmeister. Muss ich ausgerechnet dir erklären, dass ein Schiff nicht unbedingt ein Loch im Rumpf braucht, um zu sinken?« Er wollte keine Antwort auf diese Frage, denn er benutzte seine Eisenhand nun zu einer wedelnden Geste. »Dieser Seelenverkäufer ist nun mal kein Kriegsschiff. Daran hätte der geschätzte Hasan as Sabah vielleicht denken sollen, bevor er beschlossen hat, die Seeschlacht von Lepanto nachzuspielen.«
    »Dann sind wir wegen Reparaturarbeiten hier?«, hakte Andrej nach. Es war nicht so, dass er Abu Dun nicht geglaubt hätte. Die Pestmond war schon bei ihrer Abfahrt aus Jaffa kaum mehr als ein schwimmendes Wrack gewesen, und auch wenn der Vergleich mit Lepanto, bei der die Christenheit nur mit dem Mut der Verzweiflung die osmanische Übermacht mit ihren sechshundert Galeeren hatte vernichtend schlagen können, vielleicht ein wenig übertrieben war, so hatte das tapfere kleine Schiffchen doch eine Menge einstecken müssen
    »Ich sehe hier keine Werft«, fügte er noch hinzu.
    Abu Dun lachte rau. »Ich sehe auch keine Fischer. Du?«
    Andrej verzichtete auf eine Antwort.
    »Das ist ein Piratennest«, fuhr Abu Dun fort. Er deutete auf die schroffe Klippe, die die Hafeneinfahrt vor neugierigen Blicken verbarg. »Die Straße von Messina war schon immer für ihre Piraten berüchtigt. Kannst du dir ein besseres Versteck vorstellen, um schnell zuzuschlagen und dann wie ein Gespenst wieder zu verschwinden?«
    Anstelle einer direkten Antwort sah Andrej zu der Ansammlung erbärmlicher Boote hin, die selbst neben der bescheidenen Pestmond nicht anders als zwergenhaft wirkten. Jeder Pirat, der mit einer solchen Nussschale auf Kaperfahrt ginge, wäre wahrscheinlich gut beraten gewesen, sich einen Stein um den Hals zu binden und über Bord zu springen. Das Ergebnis wäre dasselbe, aber es ginge wesentlich schneller und wäre bestimmt nicht so schmerzhaft.
    »Also gut, wahrscheinlich sind es eher Schmuggler«, räumte Abu Dun ein. »Heutzutage.«
    »Ja, die gute, alte Zeit«, pflichtete Andrej ihm bei. Dann wurde er urplötzlich wieder ernst. »Wo genau sind wir?«
    »Corleanis«, antwortete Abu Dun, nun auch wieder ohne jeglichen Spott in der Stimme. »Irgendwo in Sizilien, nicht weit weg von der Meerenge. Mehr weiß ich auch nicht.« Er wiederholte seine Geste in Richtung des Felsens, diesmal mit dem Kinn. »Den guten Leuten hier ist es wahrscheinlich ganz recht, wenn niemand sehr

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