Peter Voss der Millionendieb
Gewissen schlafen kann.
Beim Morgengrauen erwachte auf Deck das Leben. Michel Mohr kam in den Kofferraum, fand Peter Voss nicht mehr vor und dachte sich das Nächstliegende, nämlich, daß er allein den Weg hinunter in den Laderaum gefunden hätte.
Dann trat er zum ersten Offizier und teilte ihm mit, daß Moritz Pietje ein paar Minuten Landurlaub haben wollte.
Das wurde in Anbetracht der kurz bevorstehenden Abfahrt verweigert. Nun ging Moritz Pietje ohne Erlaubnis an Land, und zwar über die beiden hinteren Festmach-Trossen. Die zweitausend Dollar wollte er auf keinen Fall fahrenlassen. Er wandte sich an die beiden Polizisten, die den Eingang des Docks besetzt hielten, und meldete, er wüsste, wo der Millionendieb sei. Aber erst wollte er die Belohnung haben. Der eine Beamte fuhr mit ihm zum Polizeibüro. Auch da war Moritz Pietje ohne Geld nicht zum Sprechen zu bringen.
Dem Polizeioffizier, der ihn verhörte, blieb schließlich nichts anderes übrig, als zweitausend Dollar auf den Tisch zu legen.
Nun gab Moritz Pietje an, daß der Millionendieb an Bord der Pennsylvania sei, und zwar in der Kammer des ersten Bootsmannes. Schnell wollte er das Geld einstecken. Aber er wurde eines Besseren belehrt. Erst mußte sich die Wahrheit der Aussage herausstellen. Also blieb Moritz Pietje ruhig sitzen und wartete. Die zweitausend Dollar waren ihm sicher. Dafür konnte er schon seine Heuer und seine paar Habseligkeiten an Bord im Stich lassen.
Wenige Minuten später traten fünf Kriminalkommissare über die Laufbrücke der Pennsylvania, verständigten sich unauffällig mit dem ersten Offizier, der zwar über die Nachricht, daß Michel Mohr einen Millionendieb beherberge, den Kopf schüttelte, und drangen in die Kammer ein, wo sie nichts fanden. Sie durchsuchten die nebenliegenden Mannschaftsräume, wiederum vergeblich. Nun gingen sie zu Kapitän Siems und teilten ihm mit, daß sie das ganze Schiff durchsuchen müßten.
»Aber beeilen Sie sich, meine Herren!« sagte der, strich sich ärgerlich den dünnen, blonden Kinnbart und zog sich mit einem Ruck die Weste über den Kugelbauch. »Ich möchte in zwei Stunden in See gehen.«
Und sie suchten eine Stunde lang ohne Erfolg. Die Passagiere kamen an Bord. Die dritte Luke auf dem Verdeck verschlang mit unermüdlicher Gier einen Koffer nach dem andern.
›Nanu?‹, dachte Peter Voss und legte sich auf die andere Seite. ›Ist das ein Rumor. Dabei soll nun ein anständiger Mensch schlafen können?‹
»Haben Sie ihn noch nicht?« knurrte der Kapitän wütend. »Die Steuerbordwache soll suchen helfen.«
Die Matrosen der Steuerbordwache, angeführt von dem dritten und vierten Offizier und von Michel Mohr, verteilten sich stöbernd in die Laderäume. Auch ein Teil des Maschinenpersonals und die Mehrzahl der Stewards wurden herangezogen. Durch das ganze Schiff wimmelte es wie in einem aufgewühlten Ameisenhaufen.
Und Michel Mohr suchte seinen guten Freund Peter Voss, aber er suchte ihn nicht, um ihn der Polizei auszuliefern, sondern um ihn so gut zu verstecken, daß er überhaupt nicht aufzufinden war. Seine Leute schickte er hierher und dorthin, wo sie ihm nicht in den Weg laufen konnten. Die Polizisten krochen in den Bunkern herum. Die Backbordwache machte unterdessen das Schiff seeklar. Dreimal brüllte die Dampfpfeife.
Da erschien ein Polizeileutnant an Deck.
»Das Schiff darf nicht eher den Hafen verlassen, bis der Verbrecher gefunden ist!« sprach er zum Kapitän.
»Well«, sagte der kaltblütig. »Jede Minute kostet hundert Dollar. Wir brauchen nur noch die Leinen loszuwerfen.«
In diesem Augenblick fand Michel Mohr den Gesuchten im untersten Raum, friedlich schlafend auf zwei Wollsäcken. Er sah auf den ersten Blick, daß es nicht Peter Voss war.
»Ich hab ihn!« brüllte er und hielt ihn fest.
Der Mann schlug verzweifelt um sich, sträubte sich heftig und boxte wie von Sinnen. Aber Michel Mohrs Fäuste waren von Eisen. Die Polizisten sprangen auf sein Geschrei herbei, doch erst nach langer Gegenwehr konnten sie den Rasenden überwältigen. Er wurde gefesselt. Nun brüllte er, als ob er gespießt werden sollte. Darum mußte man ihn knebeln. Sechs Polizeifäuste griffen zu, hoben ihn hoch, und im Nu, die Pennsylvania hatte sich schon vom Kai gelöst, ging's über das Fallreep auf den kleinen Polizeidampfer hinunter.
Michel Mohr schaute über die Reling und lachte sich heimlich ins Fäustchen. Peter Voss war noch an Bord.
›Alle Achtung!‹ dachte der Bootsmann.
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