Peter Voss der Millionendieb
›Der Kerl hat sich so verkrochen, daß nicht einmal ich ihn finden kann, und das will doch allerhand besagen!‹
»Sam! Sam!« schrie da plötzlich eine Stimme aus der untersten Bullaugenreihe.
Es war Frank Murrel, der voll Entsetzen zu sehen glaubte, wie man ihm seinen guten Freund und Kollegen Sam Fletcher entführte.
»Sam?« fragte sein Nachbar, der den Kopf durch das zweitnächste Rundloch streckte, denn die Nebenkabine war unbesetzt. »Sam heißt der nicht. Das ist Peter Voss aus St. Louis, der Millionendieb.«
Frank Murrel fiel ein großer Stein vom Herzen, und er rief dem Steward, der wie gehetzt durch den Gang sauste, nach, sofort seinen großen Koffer aus dem Gepäckraum in die Kabine zu bringen. Dann goss er aufatmend einen Kognak hinunter, während die Pennsylvania, von zwei starken Schleppdampfern gezogen, in den Hudson einschwenkte.
Peter Voss hatte von alldem nichts bemerkt und schlief in seinem Koffer wie ein Murmeltier.
4
Dodd und Polly waren im Metropol-Hotel abgestiegen. Polly hatte sich inzwischen von der tollen Autojagd erholt und ging an demselben Morgen, als die Pennsylvania in den Hudson einschwenkte, über den Broadway. Das erste, was ihr in die Augen fiel, war das gelbe Plakat mit dem Bild ihres Mannes. Sie stand, selbst wie eine Plakatsäule erstarrt. So also hielt Dodd sein Versprechen!
Aufs äußerste empört, kehrte sie ins Hotel zurück, um ihn zur Rede zu stellen.
Er war nicht da. Kurz nachdem sie ohne sein Wissen das Hotel verlassen hatte, war er telefonisch von der Polizei benachrichtigt worden: »Peter Voss gefangen. Er befindet sich hier. Leugnet aber. Ähnlichkeit mit dem Steckbrief vorhanden.«
Sofort war Dodd zur Stelle und trat Sam Fletcher gegenüber. Daneben stand Moritz Pietje, der Denunziant, der steif und fest behauptete, daß der Gefangene, obschon er schwarze Haare habe, der gesuchte Millionendieb sei. Der brave Moritz wollte die zweitausend Dollar nicht gutwillig fahrenlassen.
Sam Fletcher benahm sich wie ein freier, amerikanischer Bürger, der sich ohne ersichtlichen Grund in den Händen der Polizei sieht. Er war schon von Natur aus frech. Moritz Pietje hielt sich in respektvoller Entfernung.
»Die Identität dieses Mannes mit Peter Voss werden wir sofort festgestellt haben«, sagte Dodd.
»Da bin ich aber sehr neugierig!« sagte Sam Fletcher und steckte die Fäuste in die Hosentaschen.
»Halten Sie ihn fest, ich werde seine Frau holen!« rief Dodd dem Kommissar zu und sprang hinaus.
Sam Fletcher schickte ihm ein schallendes Gelächter nach und hob die geballte Faust gegen Moritz Pietje.
In demselben Augenblick, als Pollys Empörung über Dodds offenbaren Wortbruch ihren Höhepunkt erreicht hatte, trat er in den Salon, der zwischen ihren Zimmern lag.
»Sie haben infam gehandelt!« rief sie ihm entgegen. »Sie haben die Sache der Polizei übergeben, obschon Sie mir versprochen haben, es nicht zu tun. Sie sind kein Gentleman.«
»Sie haben den Steckbrief gesehen?« rief er bestürzt. »Nun gut, ich gestehe meine Schuld ein. Ich sah keinen anderen Ausweg, es geschah zu seinem Besten.«
»Nein«, rief sie und brach in Tränen aus. »Sie wollen ihn vernichten. Aber ich werde es zu verhindern wissen.«
Und dabei trat sie mit dem Fuße auf wie ein trotziges Kind. Was er auch vorbrachte, sich zu entschuldigen, nichts verschlug bei ihrem Eigensinn.
»Mrs. Voss!« sagte er endlich. »Sie müssen mir vertrauen. Das ist die erste Bedingung, sonst arbeiten wir gegeneinander.«
»Das werde ich tun«, stieß sie triumphierend heraus. »Ganz bewußt werde ich gegen Sie arbeiten, denn Sie wollen Peter ins Unglück stürzen. Sie halten ihn für einen Verbrecher. Sie denken gar nicht daran, daß er krank ist. Das haben Sie mir nur eingeredet, um mich hierher zu locken. Ich habe Ihr Spiel durchschaut, Mr. Dodd. Ich werde ihn auf eigene Faust suchen und nach St. Louis zurückbringen.«
»So wie ich ist selten ein Mann verkannt worden. Ich schwöre Ihnen …« wollte Dodd entgegnen, doch Polly unterbrach ihn.
»Schwören Sie nicht!« schnitt sie ihm das Wort ab. »Ich kenne Sie! Sie sind ein Mann, der vor einem falschen Eid nicht zurückschreckt, wenn er dadurch sein Ziel erreichen kann. Und dieses Ziel ist, meinen Mann ins Zuchthaus zu bringen.«
»Ins Sanatorium«, verbesserte er sie und erlangte durch seine Zähigkeit allmählich die Oberhand. »Der Steckbrief ist nur in New York verbreitet worden. Und was, Mrs. Voss, ist denn so ein Steckbrief weiter! Es steht
Weitere Kostenlose Bücher