Peter Voss der Millionendieb
Zähne bewaffnet, sprang an Bord. Schiffer Penfold wehrte sich wie ein Verrückter. Mit einem Spillspaken teilte er nach allen Seiten hin Schläge aus. Auch der Matrose und der Schiffsjunge ließen sich nicht so ohne weiteres überwältigen. Nur Peter Voss tat nichts, die Hüter der französischen Zollgesetze zu erzürnen. Die Hände in den Taschen, ließ er sich ruhig gefangen nehmen.
›Es kann mir gar nichts Besseres passieren‹, dachte er und folgte mit einem freundlichen Lächeln der Einladung, auf den Zollkreuzer zu übersiedeln. Sein schönes Taschenmesser wurde ihm abgenommen.
Schon am nächsten Mittag saßen sie im Gefängnis von St. Malo. Peter Voss bekam eine Zelle mit Aussicht auf das Meer und war mit seinem Schicksal mehr als zufrieden. Sogar eine richtige, eiserne Bettstelle hatte er. Als sich die schwere Tür hinter ihm geschlossen hatte, stellte er sich auf den Kopf und strampelte vor Freude mit den Beinen.
›Hier bleibe ich, bis die Kupferpapiere oben sind‹, dachte er vergnügt und streckte die Nase durch das Fenstergitter, um möglichst viel von dem nahen Hafen und der schönen Umgebung zu sehen.
›Wenn mich Bobby Dodd hier findet, dann kann er wirklich mehr, als in den Zeitungen für sich Reklame machen.‹
Und voller Heiterkeit legte er sich auf das harte Lager und begann zu pfeifen. Nur Polly fehlte ihm zum vollen Glück.
Noch niemals hatte ein so vergnügter Häftling im Gefängnis von St. Malo gesessen wie der neue auf Zelle Nummer 19. Der Wärter mußte sich immer das Lachen verbeißen, wenn ihm dieser Mann beim Essenbringen auf den Händen entgegengelaufen kam oder gar durch die Zelle Rad schlug, immer von einer Ecke in die andere. Peter Voss wurde die Zeit durchaus nicht lang. Wenn er sich nicht Bewegung verschaffte, unterhielt er sich mit dem Wachtposten, der vor der Front des Gefängnisses auf und ab spazierte. Sein Französisch war zwar nicht tadellos, aber es genügte vollkommen zur Verständigung.
Zwischendurch nahm er sich die Zeit, um mit sich selbst ins reine zu kommen. Er lag auf der Pritsche und dachte an Polly. Was würde sie für Augen machen, wenn sie ihn hier sitzen sähe? Er lachte vor Vergnügen laut auf.
Da meldeten sich von der nächsten Zelle her Klopftöne. Er horchte gespannt. Lange und kurze Pausen unterschied er, zu bestimmten Zeichen zusammengestellt. Es war kein Zweifel, der Mann morste. Schon stand Peter Voss an der Wand und klopfte Morsezeichen zurück.
»Wer dort?« fragte er auf Englisch, weil ihm diese Sprache geläufiger als die französische war.
»William Smith aus London«, war die Antwort.
»Weshalb sitzt du hier?«
»Ich habe einen kleinen Einbruch begangen und drei Jahre abgekriegt.«
»Gratuliere! Wie lange sitzt du schon?«
»Ein halbes Jahr. Aber ich habe es gründlich satt.«
»Kann ich mir denken«, klopfte Peter Voss zurück.
»Nächstens breche ich aus.«
»Wie denn?« fragte Peter Voss neugierig.
»Durch das Fenster, ich habe schon fünf Eisen gelockert.«
»Sieht man das nicht?«
»Nein! Ich habe eine lange Praxis hinter mir. Ich gehe nach London.«
»Viel Vergnügen!«
»Willst du nicht mitkommen?«
»Danke, mir gefällt es hier sehr gut!«
»Du brauchst nur die Mauer zu durchbrechen. Sie ist nicht dick.«
»Wozu? Mir gefällt es hier doch sehr gut!« erwiderte Peter Voss.
»Doofkopp!« kam es von drüben, und die Unterhaltung wurde abgebrochen.
›Ich werde mich schwer hüten, dieses schöne Hotel, wo man gratis verpflegt wird, so schnöde zu verlassen‹, dachte Peter Voss und rieb sich die Hände.
Drei Tage später stand er vor dem Gericht. Seine drei Komplicen waren schon verhört worden und saßen zerknirscht auf der Anklagebank. Peter Voss wünschte höflich: »Bonjour, Messieurs!« und machte vor jedem der drei Richter eine tiefe Verbeugung. Aber sie schauten sehr mürrisch drein und hielten es nicht für nötig, ihm zu danken.
Nun sollten seine Personalien aufgenommen werden. Durch die Aussage des Schiffers und seiner beiden Leute war schon festgestellt worden, daß er als Schiffbrüchiger vor Plymouth an Bord des Schmuggelschiffes gekommen war. Demnach konnte seine Strafe nur gering ausfallen, wenn er nicht überhaupt ganz freigesprochen werden mußte.
»Wie heißen Sie?« fragte der erste Richter.
Peter Voss kratzte sich hinterm Ohr. Es schien ihm nicht ratsam zu sein, seinen wahren Namen zu sagen.
»Ich heiße«, begann er und stockte plötzlich, da ihm ein anderer Name nicht so schnell einfallen
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