Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peter Voss der Millionendieb

Peter Voss der Millionendieb

Titel: Peter Voss der Millionendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewger Seeliger
Vom Netzwerk:
wollte, worauf er mit der merkwürdigen Eröffnung herausplatzte: »Meine Herren, ich habe meinen Namen vergessen.«
    Die Richter lächelten vielsagend. Es war ihnen sofort klar, daß der Angeklagte ein großes Verbrechen auf dem Gewissen haben müsse.
    Peter Voss aber kam mit guten Gründen, um seine unglaubliche Behauptung allen Ernstes zu beweisen.
    »Ich fiel vor etlichen Tagen im Kanal über Bord eines Schiffes«, begann er mit tiefem Bedauern zu erzählen, »ich fiel auf den Kopf, dabei verlor ich mein ganzes Gedächtnis. Sogar den Namen des Schiffes, von dem ich gefallen bin, habe ich vergessen. Mein Kopf ist augenblicklich ein leerer Topf mit weißen Wänden.«
    »Sie behaupten also, Ihr ganzes Gedächtnis verloren zu haben?« fragte der Richter lauernd.
    »Total«, erwiderte Peter Voss schulterzuckend.
    »Dann müßten Sie ja auch die Sprache verloren haben!« sagte der Richter.
    »Wieso?« begehrte Peter Voss auf. »Dann habe ich eben, mit Ihrer Erlaubnis, nur ein Stück von meinem Gedächtnis verloren.«
    »Wir werden Ihnen Ruhe und Gelegenheit geben, das verlorene Stück wiederzufinden«, versetzte der Richter sarkastisch und ließ ihn abführen.
    Peter Voss marschierte in seine Zelle zurück und pfiff sich eins. Auch der musikalische Teil des Gedächtnisses stand ihm noch zur Verfügung.
    Der Schiffer Penfold wurde zu sechs Monaten, der Matrose zu acht Wochen und der Schiffsjunge zu vier Wochen verurteilt. Die Queen wurde versteigert und ging als Marguerite unter französischer Flagge in See nach Jersey. Jede dritte Nacht verbrachte sie in St. Malo. Peter Voss, der sie beobachtete, freute sich über ihre Anhänglichkeit.
    Er schlief in seiner Zelle meistens bis tief in den Tag hinein. Zuweilen erkundigte er sich bei seinem Nachbarn nach dem Fortschritt der Befreiungsarbeiten. Doch der war nicht gut auf ihn zu sprechen, weil er nicht gemeinsame Sache mit ihm machen wollte.
    »Was willst du in London?« fragte Peter Voss. »Hast du wieder so einen kleinen Einbruch vor?«
    »Man muß leben!« erwiderte William Smith. »Geschäft ist Geschäft.«
    »Es lebt sich doch hier ganz schön!« behauptete Peter Voss.
    »Ohne Whisky?« kam es zurück. »Den besten Whisky gibt es in Chelsea.«
    »Prost!« telegrafierte Peter Voss zurück, legte sich auf die andere Seite und schlief ein.
    Der Gefängnisdirektor von St. Malo aber konnte nicht schlafen. Der Untersuchungshäftling auf Zelle Nummer 19, der sein Gedächtnis total oder auch nur zum Teil verloren haben wollte, raubte ihm den Schlaf. Dieser Direktor war nämlich ein Mann von wissenschaftlichen Neigungen. Fast in jedem Verbrecher, dessen Beherbergung man ihm von Rechts wegen anvertraute, witterte er einen interessanten Fall. Im Gegensatz zu den Richtern, auf deren vorläufige Entscheidung hin Peter Voss im sicheren Gewahrsam gehalten wurde, stand dieser Gefängnisdirektor auf dem Standpunkt, daß der Häftling Nummer 19 nicht im entferntesten ein gefährlicher Simulant, sondern vielmehr ein psychologisches Problem erster Ordnung sei.
    Hin und wieder ließ er sich den Mann vorführen und unterhielt sich sehr freundlich mit ihm. Peter Voss roch sofort den Braten und blieb bei seiner Behauptung, nicht nur seinen Namen, sondern auch sein ganzes Vorleben vergessen zu haben.
    Die wissenschaftlichen Neigungen des Direktors hatten ihn in dem Nervenarzt von St. Malo einen begeisterten Mitarbeiter finden lassen. Der wurde nun zu Rate gezogen. Er untersuchte den Mann ohne Gedächtnis aufs genaueste und war schließlich geneigt, die Ansicht des Direktors zu teilen. Um aber ganz sicherzugehen, kamen sie überein, den Gefangenen Nummer 19 auf Wasser und Brot zu setzen.
    »Nanu?« sagte Peter Voss zu dem Wärter, als er ihm das angeordnete Essen brachte. »Soll ich bei diesem Fraß mein Gedächtnis wiederfinden? Dazu brauche ich mindestens Krankenkost in doppelten Portionen.«
    Doch die bekam er nicht.
    Am nächsten Morgen mimte er einen schweren Ohnmachtsanfall, am folgenden Tage verfiel er in Krämpfe. Der Gefängnisarzt wurde geholt und verordnete Krankenkost. Als Peter Voss das braungebackene Beefsteak roch, kam er wieder zu sich und ließ es sich gut schmecken.
    ›Man muß sich im Gefängnis zu benehmen wissen‹, dachte er und wischte sich den Mund.
    Der Nervenarzt untersuchte ihn daraufhin erneut, schrieb eine Abhandlung und schickte sie zum Abdruck an die bekannteste medizinische Monatsschrift in Paris.
    Peter Voss aber telegrafierte wieder zu William Smith hinüber,

Weitere Kostenlose Bücher