Peter Voss der Millionendieb
Traume ein«, sagte Peter Voss und legte sich aufs Sofa. »Hier bin ich, und hier bleibe ich liegen und schlafe bis morgen früh.«
»Meine Haushälterin!«
»Ich weiß schon, du willst, daß dein alter Hausdrache von meiner Anwesenheit nichts merkt. Kleinigkeit! Aber verstoßen lasse ich mich nicht. Ich soll womöglich heute noch irgendwo im Freien übernachten. Hältst du mich für wahnsinnig?«
Peter Voss trug zunächst den Schinken und die beiden leeren Weinflaschen, die er mit Wasser füllte und zukorkte, in die Speisekammer zurück. Dann spülte er das eine Besteck und das Weinglas aus, polierte es blank und brachte alles wieder kunstgerecht im Büfett unter. Im Vorbeigehen nahm er draußen im Korridor seine blaue Mütze vom Nagel und steckte sie in die Tasche.
»So«, sagte er befriedigt, nahm die letzte Weinflasche unter den Arm und wies auf den Schreibtisch. »Und jetzt schreibst du einen Brief. Wenn du nicht weißt, an wen, schreib meinetwegen an Jim Stockes einen schönen Gruß.«
»Aber warum denn in aller Welt«, rief der Vormund entsetzt.
»Weil wir morgen früh den alten Drachen damit zur Post schicken werden!«
Der Oberlandgerichtsrat schrieb wirklich noch einen Brief und ließ ihn auf dem Schreibtisch liegen. Dann löschte er das Licht und kam ins Schlafzimmer. Kopfschüttelnd schaute er auf Peter Voss, der gerade den zweiten Schluck aus der Flasche nahm.
»Entschuldige«, sagte Peter. »Ich pflege sonst nicht aus der Flasche zu trinken. Aber die Umstände verlangen es. Hol nur dein Weinglas herein und stell es auf den Nachttisch, damit dein alter Hausdrache meint, du hättest die Flasche im Bett ausgetrunken.«
Der Oberlandgerichtsrat gehorchte, zog sich die Schuhe aus, stellte sie vor die Tür und riegelte ab. Jetzt erst wagte er aufzuatmen.
»Schäm dich«, sagte Peter Voss. »Oberlandgerichtsrat, und nicht mal Herr im eigenen Hause. Gute Nacht, und bessere dich.«
»Aber morgen früh«, flüsterte der alte Herr ängstlich. »Du kannst doch morgen in diesem Anzug nicht aus dem Haus.«
»Du wirst wohl einen neuen Anzug übrig haben. Wir haben ja die gleiche Größe und Figur.«
Peter Voss erwachte am Morgen, als die Haushälterin die geputzten Schuhe vor die Tür stellte.
»Hören Sie mal«, rief er, indem er so genau den Ton des Gerichtsrats nachahmte, daß der ganz verstört aus den Kissen fuhr. »Da liegt ein Brief auf dem Schreibtisch. Der muß sofort besorgt werden. Stellen Sie das Frühstück zurecht, ich muß sogleich aufs Gericht. Sie können dann direkt auf den Markt gehen.«
»Jawohl, Herr Rat«, flötete sie zurück und eilte, den Frühstückstisch zu decken.
Der Oberlandgerichtsrat lag in den Kissen und hielt sich den Bauch, um nicht laut herauslachen zu müssen. Peter Voss holte seine Zahnbürste und machte Toilette. Als der Schlüssel in der Haustür schnappte, fuhr er hinter die Gardine und stellte fest, daß die Haushälterin wirklich mit der Markttasche die Feldstraße entlangeilte.
»Wie heißt dieses entzückende Wesen?« fragte er.
»Es ist die unverehelichte Martha Zippel«, erwiderte der in gerichtsnotorischem Tone.
»Und wie lange pflegt diese unverehelichte Zippel auf dem Markt zu feilschen?«
»Vor zwei Stunden kommt sie nicht zurück«, erwiderte der Rat.
»Also fix!« rief Peter Voss und lief in die Küche. »Der Kaffee wird kalt.«
Als der alte Herr sich an den Tisch setzte, erschien Peter Voss mit der dampfenden Bratpfanne, in der sechs Spiegeleier brutzelten.
»Keine Angst«, beruhigte er ihn. »Sie merkt es nicht. Es steht da in der Küche eine ganze Kiste mit Eiern, sie hat sie sicher nicht nachgezählt.«
Mit Bewunderung sah der Gerichtsrat auf Peter Voss, der sich zu seinen Spiegeleiern ein Pfund Schinken legte.
»In Amerika isst man wohl sehr stark?« bemerkte er lächelnd.
»Und in Deutschland schläft man desto mehr«, erwiderte Peter Voss, auf sämtlichen gesunden Zähnen kauend. »Nach dem Gesetz von der Erhaltung der Kraft kommt es auf dasselbe hinaus, es handelt sich nur darum, welche Methode einem mehr Spaß macht.«
Nachdem er die Pfanne geleert hatte, trug er sie in die Küche, wo er sie mit Schrubber und Scheuersand in den vorigen Zustand zurückbrachte und wieder an den Nagel hängte. Dann steckte er die Eierschalen in die Tasche und entfernte alle Spuren seiner ausgiebigen Mahlzeit.
»Nun musst du aber gehen«, sagte der Adoptivvater und schaute auf die Uhr.
»Zwei Stunden«, lachte Peter Voss und steckte sich eine
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