Pfad der Schatten reiter4
der Tänzer im Wald wurden weniger. Ein oder zwei huschten ab und zu am Rand ihres Blickfelds vorbei, verschwanden dann aber rasch wieder.
Sie blieb immer noch hinter den anderen zurück, und nun wartete Ard öfters auf sie und lief kameradschaftlich neben ihr her. Er sprach nicht, aber er passte auf sie auf. Die ganze Gruppe sprach nur sehr wenig. Je weiter sie vorankamen, desto schneller wurde das Tempo, das Graelalea vorgab, und je schneller Graelalea ging, desto weiter blieb Karigan zurück. Besonders schwer fiel ihr das Schritthalten auf einem Abschnitt
des Pfades, der am Fuß einer Klippe verlief und unter herabgefallenem Geröll und großen Findlingen begraben war. Sie mussten sich ihren Weg über glitschige Felsen und wacklige Steine suchen. Die unebenen, trügerischen Oberflächen beanspruchten Karigans verletztes Bein allzu sehr, und sie fiel immer und immer weiter zurück, aber Ard blieb geduldig an ihrer Seite. Sie freute sich über seine Gesellschaft.
»Waren Sie schon immer Förster im Dienst des Klans Coutre?« , fragte sie ihn, denn sein Siegelring hatte sie neugierig gemacht, und sie wollte mehr über ihn erfahren. Ihre Füße rutschten fast auf einem schleimigen Stein unter ihr weg. Sie rettete sich mit wild klopfendem Herzen und war wieder einmal dankbar für den Knochenholzstab, der ihr half, ihr Gleichgewicht wiederzufinden.
Ard, der ihr einige Felsen voraus war, sah ihr zu und antwortete: »Immer schon. Und mein Vater ebenfalls. Lord Spane nahm ihn auf und gab ihm eine Stellung als Gehilfe des Hauptforstmeisters, der sich um Lord Coutres Ländereien kümmerte. Davor waren wir bettelarm, aber Lord Spane nahm uns bei sich auf.«
»Das war sehr freundlich von ihm«, antwortete Karigan. Ard blieb oben auf einem Felsen stehen und beobachtete sie. Seine Hand ruhte auf dem Heft seines Schwertes. Er warf einen Blick über die Schulter, aber die restliche Gruppe war außer Sicht.
»Und ob«, sagte er. »Und dann kam die Herrin zur Welt. Das süßeste Kind, das es je gegeben hat.«
Es fiel Karigan schwer, sich Estora als Kleinkind vorzustellen. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte Estora nur so sehen, wie sie jetzt war, eine beeindruckende, geradezu erschreckend schöne Frau.
Karigan hinkte auf einen wackligen Findling vor Ard zu, ihre Beine zitterten vor Erschöpfung. Ard bewegte sich nicht
und zwang Karigan, wieder einmal um ihr Gleichgewicht zu kämpfen. Er reichte ihr nicht die Hand, sondern schien tief in Gedanken versunken.
»So freundlich war sie«, sagte er. »Sie hatte immer Verständnis für ihre Untergebenen, obwohl sie das gar nicht nötig gehabt hätte. Auch als sie größer wurde, hat sie sich nicht verändert. Sie war immer gut zu mir. Ich bin stolz darauf, ihr zu dienen.«
Karigan fand dies alles zwar faszinierend, aber ihr Bein tat mörderisch weh, und sie kämpfte darum, nicht hinzufallen.
»Ähem«, sagte sie und hoffte, Ard würde den Hinweis verstehen.
Er stierte sie an; seine Augen waren hart wie Feuersteine, sein Gesicht unbeweglich und sein ganzer Körper starr. Karigan wurde nervös. Sie verstand seine Haltung nicht und begriff nicht, warum er ihr nicht half.
»Würden Sie bitte weitergehen?«, sagte sie. »Wir fallen immer weiter zurück.«
Ard bewegte sich nicht, sondern starrte sie weiterhin an, und seine Finger trommelten auf seinen Schwertgriff. »Ich würde alles für sie tun«, murmelte er.
Karigan hopste zurück auf einen etwas stabileren Felsen hinter ihr und umkrallte das Knochenholz jetzt nicht mehr so sehr, um das Gleichgewicht zu halten, sondern zur Verteidigung. Was war nur mit ihm los? Seine Hand umklammerte plötzlich das Heft seines Schwertes.
»Ist da hinten alles in Ordnung?« Das war Telagioth.
Karigan seufzte erleichtert auf.
»Jawohl«, antwortete Ard, wandte sich zu Telagioth um, ging weiter und ließ Karigan zurück. »Wir haben uns nur kurz ausgeruht.«
Ausgeruht? So nannte er das also? Warum war sie dann schweißgebadet und zitterte?
Zu ihrer noch größeren Erleichterung blieb Telagioth nun bei ihnen, und Ard unterhielt sich angeregt mit ihm. Alles schien wieder so zu sein wie vorher. Hatte sie sich vor ein paar Augenblicken nur eingebildet, dass er sie bedrohte? Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, warum er sich so verändert haben sollte. Bisher war er auf der ganzen Reise immer so hilfsbereit gewesen.
Vielleicht hatte das Dornengift ihre Wahrnehmung verwirrt. Trotzdem nahm sie sich vor, sich vor Ard zukünftig in Acht
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