Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Gabriella.« Er lächelte sie freundlich an. »Seien Sie vorsichtig, meine Liebe.«
»Und wir sehen Sie beide bald wieder, hoffe ich.« Mrs Beckworth blickte von Nate zu Gabriella. »Auf dem Ball, nicht wahr?«
Der Ball der Antikengesellschaft läutete den Beginn der zehntägigen Gutachterversammlung ein. Das Komitee würde sich bis mittags am letzten Tag treffen, ehe eine oder zwei Stunden später alle Mitglieder der Gesellschaft zusammenkamen. Reggie und Nates Mutter sprachen schon von dem Ball, seit Nate wieder zu Hause war. In diesem Jahr war seine Schwester erstmals alt genug, um dabei zu sein. Seine Mutter und Sterling besuchten den Ball selbstverständlich jedes Jahr. Wann Nate und Quinton das letzte Mal dort gewesen waren, erinnerte er nicht.
»Ich denke eher nicht«, begann Gabriella.
»Natürlich werden wir dort sein«, widersprach Nate und schenkte Mrs Beckworth sein charmantestes Lächeln. »Wir möchten den Ball um keinen Preis versäumen.« Dann küsste er ihr die Hand, wobei ihm abermals auffiel, wie kalt Mrs Beckworths Augen waren. Unsinn, ermahnte er sich im Geiste. Es war nur die helle Farbe, die sie kalt erscheinen ließ. »Und ich hoffe, Sie werden mir einen Tanz gewähren.«
Sie lächelte. »Das werde ich mit Freuden, Mr Harrington.«
»Dann wünsche ich einen guten Tag.« Er nickte dem Direktor zu. »Sir.«
Gabriella verabschiedete sich höflich. Nate fasste ihren Ellbogen und führte sie zielstrebig aus dem Büro. Sobald sie draußen waren, verspannte Gabriella sich spürbar, und ihre Augen blitzten bedenklich. So wenig Nate über Gabriella Montini wusste, würde selbst ein Toter die zeitlosen Zeichen erkennen und begreifen, dass diese Frau alles andere als glücklich war, besonders nicht über den Mann an ihrer Seite.
Kaum waren sie aus dem Gebäude, schüttelte sie seine Hand von ihrem Arm, drehte sich zu ihm und funkelte ihn zornig an. »Was in aller Welt haben Sie sich dabei gedacht, hierher zu kommen? Zu ihnen!«
»Sie hatten keinen Plan«, antwortete er ruhig und blickte sich auf der Straße nach seiner Kutsche um. »Sie wussten nicht, wo wir anfangen sollten.«
»Dennoch hätten Sie mir verraten müssen, wohin wir gehen! Sie sagten mit keinem Wort, dass dies Ihr Plan wäre.« Das Wort »Plan« troff vor Empörung.
»Weil Sie dann nicht mitgekommen wären.«
»Selbstverständlich wäre ich nicht mitgekommen. Dies ist der letzte Ort …«
»Gabriella«, sagte er streng. »Wir brauchen ein Mindestmaß an Autorität, an Glaubwürdigkeit. Legitimität, wenn Sie so wollen.«
»Mein Anspruch ist vollkommen legitim.«
»Wie ich es verstehe …«
»Und was die Glaubwürdigkeit betrifft, selbst wenn ich eine Frau ohne Gehirn im Kopf bin …«
»Niemand hat etwas Derartiges behauptet. Vielmehr hat Beckworth Ihre Intelligenz in den höchsten Tönen gepriesen.«
Sie schnaubte verächtlich. »Für eine Frau.«
»Für jeden. Sie haben keine Veranlassung, über Beckworths Lob zu spotten.«
»Ah, da siegen wohl wieder einmal meine weiblichen Gefühle über meinen Verstand!«
»Mag sein«, raunte er gereizt. »Ihnen sind die Beschränkungen, die Ihrem Geschlecht auferlegt werden, wohlbekannt. Sie verwiesen selbst auf sie, als wir über Ihren Wunsch sprachen, sich derselben Tätigkeit zu widmen wie Ihr Bruder.«
»Sie schlugen vor, den Dieb neben meinem Bruder als Finder anzuerkennen! Das habe ich ganz gewiss nicht vor.«
»Es war ein Vorschlag, mehr nicht.« Wo blieb die vermaledeite Kutsche?
»Beckworth übertrug Ihnen die Verantwortung für meine Sicherheit. Ich brauche keinen …«
»Ganz sicher brauchen Sie.« Seine Geduld war überstrapaziert. »Sie gehen die Sache sehr unvernünftig an. Bisher war Ihr Handeln alles andere als überlegt und durchdacht.«
Sie hielt hörbar den Atem an.
»Wollen Sie es leugnen?« Wieder nahm er ihren Ellbogen und sah sie an. »Sie könnten in diesem Moment in einer Gefängniszelle sitzen. Zuerst versuchten Sie, auf dem Ball meiner Schwester die Bibliothek meines Bruders zu durchsuchen. Dann brachen Sie in unser Haus ein.« Ihm kam ein beängstigender Gedanke. »Haben Sie noch etwas anderes getan, von dem ich wissen sollte?«
Zwar zögerte Gabriella keine Sekunde lang, doch es genügte. Er war sicher, dass sie ihm immer noch etwas vorenthielt. Trotzig machte sie die Schultern gerade. »Nein, natürlich nicht.«
Was er ihr nicht glaubte. Nate schwor sich herauszufinden, was sie ihm nicht verriet. »Warum hatten Sie mir nicht erzählt, dass
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