Pfand der Leidenschaft
ausgerechnet Christopher Frost. Sein hübsches Gesicht war vollkommen ausdruckslos, als sich ihre Blicke trafen.
Amelia verharrte in der Bewegung, und eine glühend heiße Röte schoss ihr ins Gesicht. »Entschuldigt vielmals«, murmelte sie und floh.
Zu ihrem Entsetzen schien ihr Christopher Frost folgen zu wollen. Sie war derart auf ihre Flucht konzentriert, dass sie nicht bemerkte, wie sich jemand Frost in den Weg stellte.
»Miss Hathaway.«
Der Klang einer männlichen Stimme ließ Amelia herumwirbeln. Sie erwartete, Christopher Frost zu erblicken, musste dann jedoch überrascht feststellen, dass Cam Rohan ihr nachgekommen war. »Sir.«
Rohans Hemdsärmel waren hochgerollt, sein Kragen stand eine Handbreit offen. Sein mitternachtsschwarzes Haar war leicht zerzaust, als sei er sich eben mit den Fingern durch die schimmernde Pracht gefahren. Amelias Herz schlug schneller. Sie wartete reglos, während er in wenigen geschmeidigen Schritten auf sie zukam.
Da bemerkte sie Christopher Frost am Türrahmen. Er bedachte sie mit einem missbilligenden Blick, bevor er wieder verschwand.
Rohan erreichte Amelia und blieb mit einem höflichen Kopfnicken vor ihr stehen. »Kann ich Euch bei irgendetwas behilflich sein?«, wollte er wissen. »Habt Ihr Euch etwa verlaufen?«
Sie schob jede gebotene Vorsicht und jegliches Schamgefühl beiseite und zerrte an seinem hochgekrempelten Hemdsärmel. »Mr. Rohan, wisst Ihr, wo ich Lord Westcliffs Arbeitszimmer finde?«
»Ja, natürlich.«
»Zeigt mir den Weg!«
Rohan betrachtete sie mit einem verwunderten Lächeln. »Weshalb?«
»Ich habe keine Zeit für Erklärungen. Bringt mich einfach dorthin. Bitte, und beeilt Euch!«
Zuvorkommend führte er sie den Korridor hinab und in einen kleinen, mit Rosenholz vertäfelten Raum – das Arbeitszimmer eines Gentlemans. Das einzige verspielte Zierelement war eine Reihe rechteckiger Buntglasfenster an einer Wand. Hier war also der Ort, an dem Marcus Lord Westcliff seinen Geschäften nachging.
Rohan schloss die Tür hinter ihnen.
Hastig kramte Amelie in ihrer Tasche und fischte
das schwere Siegel heraus. »Wo steht das für gewöhnlich?«
»Auf der rechten Seite des Schreibtisches, in der Nähe des Tintenfasses«, erwiderte Rohan. »Woher habt Ihr es?«
»Das erkläre ich Euch später. Ich flehe Euch an, verratet mich nicht.« Sie legte das silberne Siegel auf den Tisch. »Ich kann nur inständig hoffen, dass Lord Westcliff es noch nicht vermisst hat.«
»Warum habt Ihr es überhaupt an Euch genommen?«, erkundigte sich Rohan gleichmütig. »Habt Ihr eine Fälschung herstellen lassen?«
»Eine Fälschung?« Amelia erbleichte. Ein Brief in Westcliffs Namen, versiegelt mit seinem Familienwappen, wäre tatsächlich eine mächtige Waffe. Welche andere Schlussfolgerung könnte jemand aus ihrem Verhalten ziehen? »O nein, ich hatte niemals … ich meine, ich wollte …«
Das entsetzliche Geräusch eines quietschenden Türknaufs ließ sie innehalten. In diesem einen Augenblick wurde Amelia gleichermaßen von panischer Angst und dumpfer Resignation gepackt. Es war vorbei. Sie war ihrem Ziel so nahe gekommen, und jetzt war sie doch noch geschnappt worden. Und die verheerenden Folgen ihres Handelns waren nicht abzusehen. Es gab keine plausible Ausrede, mit der sie ihre Anwesenheit in Westcliffs Arbeitszimmer hätte erklären können. Sie würde Beatrix’ Geheimnis preisgeben müssen, was Schande auf ihren Familiennamen nach sich zöge und die Chancen des Mädchens auf eine gute Partie für immer zunichtemachte. Eine Eidechse als Haustier zu halten, war schlimm genug, ein Diebstahl war unverzeihlich.
All diese Gedanken stürzten gleichzeitig auf Amelia ein und durchbohrten sie wie brennende Dolche. Doch noch während sie vor Entsetzen erstarrte und auf das Damoklesschwert wartete, das unvermeidlich auf sie herabfiele, kam Rohan in zwei großen Schritten auf sie zu. Und bevor sich Amelia rühren, nachdenken oder auch nur atmen konnte, hatte er sie gepackt und zog ihren Kopf zu sich.
Rohan küsste sie mit einer unverhohlenen Leidenschaft, die Amelia zum Taumeln brachte. Seine Arme schlossen sich fest um ihre Taille, während sein Mund ihre Lippen in genau dem richtigen Winkel traf. Ihre Hände wehrten sich zaghaft, glitten empört zu den Knöpfen seines Hemdes und berührten unfreiwillig seine starken Brustmuskeln. Er war der einzige sichere Halt in einer kaleidoskopischen Welt, die auseinanderzubrechen schien. Da saugte ihr Körper jedes
Weitere Kostenlose Bücher