Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
sprechen, aber ich möchte wissen, wie viel Alkohol ich im Blut habe und ob noch andere Drogen in meinem Blutkreislauf unterwegs sind.«
»Und was soll ich deiner Meinung nach ins Protokoll schreiben, wenn du mit einer solchen Anfrage kommst?«
Astrid Egnell sah trotz des strengen Tonfalls sehr sympathisch aus. Petra hatte keine Probleme, ihre Skepsis gegenüber dem ganzen Vorhaben nachzuvollziehen.
»Mir wäre es am liebsten, wenn du überhaupt nichts protokollieren würdest, sondern wir beide das Ganze unter uns regeln könnten. Ich werde die Tests, die du durchführst, auch selbst bezahlen.«
»Aber die Proben werden gar nicht von mir analysiert«, sagte Astrid Egnell, diesmal in einem etwas freundlicheren Ton. »Sie werden ans kriminaltechnische Labor geschickt, und dann dauert es mehrere Wochen, bis wir die Ergebnisse haben.«
Mit solchen Komplikationen hatte Petra nicht gerechnet, aber sie hatte eine Idee, die sie allerdings für sich behielt.
»Darum werde ich mich kümmern«, sagte sie ruhig. »Du bist Ärztin, du nimmst die Proben. Ich nehme die Proben mit und kümmere mich um den Rest. Du bist mich los, sobald du die Proben genommen hast.«
Astrid Egnell studierte sie mit verwunderter Miene.
»Hast du irgendwo Schmerzen?«, fragte sie überraschend.
»Ja, im Kopf.«
»Hast du Erinnerungslücken? Probleme mit dem Gehen?«
Petra nickte zustimmend.
»Vielleicht aus mehr als einem Grund«, sagte die Ärztin und öffnete ihre Tasche auf dem Küchentisch, ohne ihr in die Augen zu schauen.
Petra antwortete nicht.
»Mach eine Faust«, sagte die Ärztin und legte ein Gummiband um ihren Oberarm.
»Aus mehr als einem Grund vielleicht«, sagte Petra und musste kichern.
Die Ärztin betrachtete sie amüsiert und stieß die Nadel in ihre Armvene.
»Ich weiß, ich bin nicht nüchtern«, sagte Petra.
Sie spürte, wie die Spannung allmählich nachließ, aber sie durfte sich nicht gehen lassen. Sie hatte noch einen langen Tag vor sich, denn den Gedanken, nach Hause zu gehen und sich schlafen zu legen, hatte sie zu den Akten gelegt.
»Du musst auch eine Urinprobe abgeben. Versuch, leise zu sein.«
Die Ärztin gab ihr einen Becher und begleitete sie zu einer Gästetoilette direkt hinter der Eingangstür. Petra tat, was von ihr erwartet wurde. Dann gab sie der Ärztin den Becher, die ihn in einen Plastikbeutel steckte, den sie zuknotete. Anschließend steckte sie das Röhrchen mit der Blutprobe und den Becher mit der Urinprobe in eine Plastiktüte von HM -Feinkost, dazu noch ein paar Papiere mit Anweisungen an das Labor. Petra unternahm einen ernsthaften Versuch, die Ärztin zu bezahlen, aber Astrid Egnell weigerte sich, das Geld anzunehmen.
»Der nächste Zug nach Linköping geht um acht Uhr. Ich schlage vor, du gehst nach Hause und duschst, bevor du dich auf den Weg machst, denn du siehst alles andere als nüchtern aus. Pass auf dich auf«, sagte sie und schloss die Haustür.
Um 10.40 Uhr, mit etwa zwanzig Minuten Verspätung, stieg Petra Westman im Hauptbahnhof von Linköping aus dem Zug. Ihr einziges Gepäck war eine Tüte von HM -Feinkost mit zwei leeren Bierflaschen, einem Röhrchen mit einer Blutprobe, einem Becher mit Urin, zwei Kondomen sowie ihrer eigenen benutzten Zahnbürste. Auf dem Bahnsteig wurde sie von einem gewissen Håkan Carlberg erwartet, dem sie früher schon zweimal begegnet war. Das erste Mal auf der Hochzeit ihrer einen Cousine und das zweite Mal auf der Hochzeit ihrer anderen Cousine. Beide Male war er ihr Tischherr gewesen, beim zweiten Mal wahrscheinlich, weil diese Sitzordnung sich beim vorherigen Mal so gut bewährt hatte. Håkan Carlberg war ein ziemlich stattlich gebauter Östgöte um die vierzig mit dunkelblonden, gestutzten Haaren. Er hatte eine angenehme und fröhliche Art und den Schalk im Nacken, zumindest wenn er auf einem Fest war. Petra hoffte, dass er im alltäglichen Umgang genauso war.
Diese persönlichen Eigenschaften waren allerdings nicht der Grund, warum Petra ihn um halb acht am Samstagmorgen angerufen und geweckt hatte, um ihn zu fragen, ob sie sich treffen könnten. Håkan Carlberg arbeitete als Polizeitechniker am Staatlichen Kriminaltechnischen Laboratorium und besaß bestimmte Kenntnisse und eine maschinelle Ausrüstung, die Petra an diesem düsteren Novembervormittag brauchte.
Heute war er unrasiert und samstäglich leger mit einer ausgewaschenen Jeans und einem hellblauen, langärmeligen T-Shirt bekleidet, über dem er eine marineblaue Daunenjacke
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