Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
Mündern der beiden Männer, als sie sich mit klitzekleinen Schritten den spiegelglatten Weg zu Ingrid Johanssons Tür hinaufarbeiteten.
»Wie zum Teufel können die denn glauben, dass die Oma in ihrem Zustand diesen Hang hinaufkommt?«, rief Sjöberg aus, ohne sich wirklich klar darüber zu sein, wen genau er mit »die« eigentlich meinte.
»Stollen«, entgegnete Hamad nüchtern.
»Hm«, brummelte Sjöberg und zog den Haustürschlüssel aus seiner Jackentasche.
Sie stiegen die Treppe hinauf und stampften sich, so gut es ging, den nassen Pappschnee von den Schuhen, während Sjöberg den Schlüssel ins Schloss steckte.
Im Haus war es dunkel, und Sjöberg tastete die Wand neben der Tür lange nach dem Lichtschalter ab. Aus irgendeinem Grund kam ihm das Haus jetzt kleiner vor als beim ersten Mal, als es dort vor Menschen gewimmelt hatte. Es roch altmodisch, aber keineswegs unangenehm. Es roch, wie es in den älteren Häusern älterer Leute zu riechen pflegte. Und doch wollte sich das Gefühl von Gemütlichkeit nicht einstellen. Das Mobiliar machte heute einen noch armseligeren Eindruck als beim letzten Mal. Sjöberg beschlich das Gefühl, dass die Einrichtung ohne große Sorgfalt ausgewählt worden war. Ingrid Johansson schien ein sehr einsamer Mensch zu sein, und ihm wurde bewusst, wie viele einsame Menschen es in diesem Land gab.
Seine eigene Mutter war das beste Beispiel dafür. Sein Vater war an den Folgen irgendeiner geheimnisvollen Krankheit gestorben, als Sjöberg gerade erst drei Jahre alt war. Im Laufe seiner Kindheit hatten sie in verschiedenen Wohnungen in Bollmora gewohnt, wo die Mutter in der Schulküche seiner Schule gearbeitet hatte. Soweit er sich erinnern konnte, hatte sie so gut wie keinen gesellschaftlichen Umgang und nicht eine einzige gute Freundin. Ihre Persönlichkeit lud allerdings auch nicht dazu ein. Im Grunde war sie ein negativer Mensch, wortkarg und nur schwer zu einem Lächeln zu bewegen.
Alles war aufgeräumt, und das Haus wirkte sauber. Hansson hatte wie immer gute Arbeit geleistet, stellte Sjöberg fest. Nicht nur in polizeilicher Hinsicht, sondern auch in menschlicher Hinsicht.
»Und wonach sollen wir jetzt suchen?«, fragte Hamad, nachdem sie das Wohnzimmer betreten und sich umgeschaut hatten.
»Papiere, Bücher, Fotos, Souvenirs – was weiß ich? Alles, was uns irgendeinen Anhaltspunkt dafür gibt, wo wir nach einer Verbindung zwischen Johansson und Vannerberg suchen könnten. Eine Verbindung, von der sie selbst vielleicht gar nichts ahnten. Gibt es irgendwelche Nebenräume?«
»Es gibt einen Keller und eine Garage.«
»Keinen Dachboden?«
»Keinen Dachboden.«
»Dann fangen wir mit dem Obergeschoss an«, sagte Sjöberg. »Dort bin ich noch nicht gewesen.«
Sie stiegen die schmale Treppe am Ende der Diele hinauf, und Sjöberg sah jetzt, warum es keinen Dachboden gab. Das Obergeschoss war nichts anderes als der ausgebaute Dachboden. Zwei Zimmer mit einer relativ großen Grundfläche, aber steil zulaufenden Dachschrägen, weswegen man große Bereiche zu nichts anderem als zur Aufbewahrung nutzen konnte. Einer der Räume war Ingrid Johanssons Schlafzimmer, der andere diente als eine Art Arbeitszimmer. Dort standen ein Schreibtisch, ein kleines, wackliges Bücherregal ohne Bücher und ein kleinerer Tisch mit einer Nähmaschine.
Gemeinsam nahmen sie sich das Schlafzimmer vor. Während Sjöberg die Schubladen des Nachttisches durchsuchte, gelang es Hamad, ein Transistorradio zum Laufen zu bringen, das auf einer gebeizten Kommode unter einem kleinen Fenster stand, das auf den Garten vor dem Haus hinausging. Sjöberg zuckte zusammen, als er plötzlich Musik hörte, musste dann aber lächeln. Die Sechzigerjahremusik, die aus dem Kasten kam, klang fröhlich und lebendig, während Ingrid Johanssons Einrichtung aus derselben Zeit eher einen Eindruck von Tristesse und Hoffnungslosigkeit hinterließ. Darüber hinaus litt das Haus unter einer nahezu kompletten Abwesenheit von Büchern. Auch Topfpflanzen fehlten, was nach Sjöbergs Vorstellung eigentlich ungewöhnlich war bei einer Frau aus dieser Generation.
Das Schlafzimmer offenbarte keine Geheimnisse, und auch im Arbeitszimmer fanden sie nichts, was ihrer Einschätzung nach für die Ermittlungen von Interesse sein konnte. Die Schubladen des Schreibtisches enthielten in erster Linie Schnittmuster, aber auch gewöhnliches Büromaterial wie Hefter, Locher, Schere, Stifte, Papier, Klebeband und Leim. Die Bücherregale waren
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