Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
auf diese Fotografien«, sagte Sjöberg, »aber ich glaube nicht, dass ich ohne Futter noch länger durchhalte. Ich fahre los und besorge irgendetwas Essbares. Was willst du haben?«
»Irgendwas. Kein Schweinefleisch.«
»Okay, mal sehen, was ich auftreiben kann. Ich bin so schnell wie möglich wieder zurück.«
Sjöberg verschwand aus dem Zimmer, und kurz darauf hörte Hamad die Haustür mit ins Schloss fallen.
Ingrid Johansson hatte keine besondere Ordnung in ihren Fotografien. Einige waren hübsch in Alben eingeklebt, aber die allermeisten waren noch in den Umschlägen, in denen sie vom Fotolabor gekommen waren. Einige steckten auch in DIN -A4-Umschlägen, und andere lagen in Stapeln direkt auf den Regalbrettern im Schrank. Er nahm den erstbesten Umschlag heraus und begann, die Fotos durchzublättern. Es waren schwarz-weiße und farbige Bilder in einer kunterbunten Mischung. Manche Bilder waren auf der Rückseite mit Kommentaren versehen, aber die meisten waren unbeschriftet. Eine alte Schwarz-Weiß-Fotografie, die auf der Rückseite auf Juni 1938 datiert worden war, zeigte einen Mann und eine Frau. Sie standen hinter zwei kleinen Mädchen, die auf Stühlen saßen und mit den Beinen schlenkerten. Alle waren trotz der Jahreszeit ordentlich eingepackt. Er vermutete, dass es sich um Ingrid Johansson und ihre Schwester handelte, die zusammen mit ihren Eltern für den Fotografen posiert hatten. Heute war Ingrid Johansson die Einzige, die von den Menschen auf diesem Bild übrig geblieben war, und auch der Mann, mit dem sie später ihr Leben teilen sollte, war inzwischen tot.
Der Mann, von dem er vermutete, dass es sich um ihren Gatten handelte, erschien auf einer Reihe verblasster Farbfotografien, die seiner Einschätzung nach irgendwann in den Siebzigerjahren während eines Urlaubs, vielleicht in einem spanischen Badeort, geschossen worden waren. Alle beide sahen fröhlich und sonnengebräunt aus, und die Schnappschüsse waren nett, wenn auch fotografisch nicht besonders anspruchsvoll. Es gab auch ein Dutzend Fotos von einem kleinen Kurzhaardackel in unterschiedlichen Posen: vor dem Napf, auf dem braunen Sofa, in dem Hamad jetzt saß, in einem Bett, auf dem Rasen, auf Herrchens Arm und bei Frauchen. Ingrid Johansson war auf diesen Bildern aus den Siebzigerjahren kaum wiederzuerkennen, aber weil er wusste, dass sie es war, sah er die Übereinstimmungen, die es gab. Heute war sie magerer, dachte er. Ihre Haare waren früher lang und blond gewesen, heute waren sie grau und kurz geschnitten. Eine Brille trug sie seinerzeit auch schon, allerdings nach der damaligen Mode eine mit großen Gläsern und einem plumpen braunen Kunststoffgestell.
Er blieb an einer Schwarz-Weiß-Fotografie hängen, auf der eine Gruppe von Kindern, wahrscheinlich eine Schulklasse, in zwei Reihen vor einer Wand aufgestellt waren, an der alte Jahreszeitenbilder hingen, wie er sie aus den Schaufenstern von Antiquitätenläden kannte. Die Lehrerin stand hinten in der Mitte und schaute so ernsthaft in die Kamera wie die meisten der Kinder auch. Er drehte das Foto um und las den handgeschriebenen Text: »Skogskullen 65/66«. Anschließend legte er den Bilderstapel wieder zusammen, steckte ihn zurück in den Umschlag und nahm sich ein hübsches Album mit hellbraunen Lederdeckeln vor.
Zwei Alben und ein Dutzend Umschläge später tauchte Sjöberg endlich mit dem Essen auf.
»Ich habe nichts in der Nähe gefunden, also dachte ich, dass ich genauso gut zu McDonald’s am Globen fahren könnte. McChicken – wäre das was für dich?«
»Super.«
Sjöberg packte die Tüte mit dem Essen auf dem Wohnzimmertisch aus und teilte die Pommes frites und die Getränke zwischen ihnen auf. Er selbst aß einen großen Hamburger, auch wenn er sich dessen bewusst war, wie schädlich diese Art der Ernährung in seinem Alter war. Er hatte zwar kein nennenswertes Übergewicht, aber dafür musste er auch mehrmals in der Woche trainieren. Zwei Stunden Training waren Bestandteil der Arbeitszeit, und die pflegte er im polizeieigenen Kraftraum in der Wache zu verbringen. Außerdem traf er sich jeden Freitagmorgen um sieben mit Sandén in der Hellas-Tennishalle in Eriksdal. Er war mittlerweile achtundvierzig Jahre alt, und da galt es, den Körper fit und den Infarkt auf Distanz zu halten.
»Hast du was gefunden?«, fragte er Hamad und biss herzhaft in den Hamburger.
»Nein, nichts Besonderes. Urlaubsfotos aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, jede Menge Schnappschüsse
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