Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
hier?«
»Den ganzen Tag noch, schätze ich. Das Personal hier kommt und geht die ganze Zeit, und ich hatte vor, so viele wie möglich zu erwischen, bevor ich wieder fahre. Und dann habe ich Wochenende.«
»Habt ihr etwas Besonderes vor?«, fragte Sjöberg.
»Meine Schwiegereltern kommen zu Besuch, es kann also nicht mehr schlimmer werden«, antwortete Sandén mit einer angestrengt genervten Miene.
Sjöberg wusste, dass Sandén hervorragend mit seinen Schwiegereltern auskam. Er war ihnen selbst schon einige Male begegnet und hatte feststellen können, dass sie sehr angenehme Menschen waren.
»Ich dachte, dass ihr morgen Abend vielleicht auf einen Happen vorbeikommen könntet, aber dann verschieben wir das auf ein anderes Mal«, sagte Sjöberg. »Heute Abend besuchen wir Åsas Bruder und seine Frau, sodass wir für morgen wohl mit einen Kater rechnen können.«
»Hallo, hallo? Hast du etwa das Betriebsfest vergessen?«
»Das Betriebsfest …? Oh, verdammt, morgen ist ja die Weihnachtsfeier.«
»Rohe Leber und Lammhoden.«
Sjöberg stand mit einem amüsierten Gesichtsausdruck auf und hob die Hand zum Abschied.
»Viel Glück.«
»Erhol dich gut«, antwortete Sandén und wandte sich wieder den Sportseiten und seinem halb gegessenen Kuchen zu.
Die ersten drei Personen, mit denen er in Margit Olofssons Abteilung sprach, hatten keine Ahnung, wo sie sein könnte. Die vierte war ein sehr kleiner Mann, der aussah, als hätte er das Pensionsalter längst überschritten. Sjöberg fragte sich, was um alles in der Welt er dort machte. Ihm war noch nie ein Krankenpfleger in diesem Alter über den Weg gelaufen. Aber der Mann wusste Bescheid. Margit Olofsson machte mit ihrer Familie – und mit Ingrid Johansson – eine Kreuzfahrt mit der Finnlandfähre und wurde erst am Montagmorgen an ihrem Arbeitsplatz zurückerwartet. Olofsson und der Krankenpfleger schienen sehr vertraut miteinander zu sein, denn der alte Mann wusste zu berichten, dass die Reise schon lange geplant war – wegen der Enkelkinder – und dass Olofsson Ingrid Johansson lieber mitgenommen hatte, als sie allein in dem fremden Haus zurückzulassen. Sjöberg war nicht gerade erbaut über diese Neuigkeiten, dankte dem Mann aber für seine Hilfe. Dann fuhr er mit dem Fahrstuhl in die Cafeteria hinunter und kaufte sich ein Mineralwasser und ein Ciabatta mit Brie und Salami, das er auf dem Rückweg zur Polizeiwache im Auto verzehrte.
FREITAGNACHMITTAG
Als Sjöberg auf dem Weg nach oben zu seinem Büro wieder an Lotten vorbeikam, bat er sie, seine und Westmans Gespräche wieder auf seinen Anschluss umzuleiten. Weder die Telia noch Gun Vannerberg hatten im Laufe des Vormittags von sich hören lassen, und er fragte sich, ob vielleicht auch Gun Vannerberg eine Kreuzfahrt nach Finnland machte. Von Malmö aus fuhr man vielleicht eher nach Deutschland oder Polen, oder gleich bis nach England, überlegte er. Er hatte nie daran gedacht, dass die Finnlandkreuzfahrten kein schwedisches Phänomen waren, sondern nur eine lokale Variante von etwas, das bei allen zu beobachten war, die an der Ostsee wohnten.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch, nahm den Hörer ab und wählte Westmans Handynummer. Sie nahm den Anruf entgegen, und Sjöberg fragte sie, mit wem sie bei der Telia hinsichtlich der angefragten Verbindungsdaten gesprochen habe. Sie gab ihm alle Einzelheiten, die er brauchte. Er erläuterte ihr, dass eine langjährige Erfahrung mit derartigen Vorgängen ihm sagte, dass man besser am Drücker blieb, wenn man Ergebnisse sehen wollte. Petra Westman lachte ungeniert über ihren ungeduldigen Vorgesetzten und wünschte ihm viel Glück. Er wünschte ihr dasselbe und rief die Kontaktperson der Polizei bei der Telia an. Es stellte sich heraus, dass es eine Frau mit Göteborger Dialekt war. Sie beteuerte, dass sie die Auskünfte vor sich liegen habe und just in diesem Augenblick im Begriff gewesen sei, sie der Polizei zuzufaxen. Er verlieh seiner autoritären Behördenstimme einen milderen, etwas menschlicheren Tonfall, entschuldigte sich für die Mühe, die er ihr bereitet hatte, und bedankte sich vielmals. Anschließend ging er in den Kopierraum und wartete, bis das Faxgerät zu brummen begann und die ersehnten Dokumente Blatt für Blatt aus der Maschine kamen.
Die Listen zu den einzelnen Telefonanschlüssen hatten eine ansehnliche Länge, und Sjöberg wunderte sich darüber, wie oft eine normale Familie im Laufe von drei Wochen angerufen wurde. Ganz zu schweigen vom
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