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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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entfernt bin ich runtergerutscht und liegengeblieben.«
    Tyler warf mir immer wieder Seitenblicke zu, während er fuhr, unterbrach mich aber nicht.
    »Sie ist auf den Kopf gefallen«, sagte Emma. »Falls es dir noch nicht –«
    »Hey!« Doch in Wahrheit war ich froh, dass sie mich zurück in die Gegenwart holte. »Ich muss eine Weile dagelegen haben«, sagte ich zu Tyler, »nicht völlig bewusstlos, aber unfähig, irgendwas zu tun. Ich konnte hören, wie die Löwen in der Ferne um ihre Beute kämpften, und irgendwann wagte ich es wieder, den Kopf zu heben und zurückzublicken. Die Tiere waren nicht mehr zu sehen, aber sie konnten überall sein, darum spielte es keine Rolle, in welche Richtung ich lief. Also ging ich zurück zu Khalif oder zu dem, was von ihm übrig war. Ich setzte mich neben ihn und war wie leer. Ich konnte nicht nachdenken, nichts planen, überhaupt nichts tun. Die Handys steckten in den Satteltaschen des Kamels, und das war auf und davon. Ich hatte kein Wasser, keine Nahrung – nur Khalifs Pistole. Sie lag neben ihm, und es war noch eine Kugel darin. Nur eine einzige. Ich blieb den halben Tag bei ihm, um ihn zu bewachen. Ich wollte nicht, dass andere Tiere kamen, um die Reste fortzuschleppen. Ich hatte das Gefühl, ihn beschützen zu müssen.«
    Meine Kehle war trocken, vom Sprechen und weil ich seit einem Tag nichts getrunken hatte.
    »Irgendwann bin ich aufgestanden und losgegangen. Khalif hatte gesagt, dass wir eine Stunde vom nächsten Dorf entfernt waren, aber bei Sonnenuntergang war ich noch immer unterwegs und sah nirgends Lichter oder Feuer. Da wurde mir klar, dass ich mich verirrt hatte. Ich war stundenlang in die falsche Richtung gegangen und irgendwohin unterwegs, immer tiefer in die Savanne, und ich hatte keine Ahnung, ob es dort noch Siedlungen gab oder Nomaden oder vielleicht überhaupt niemanden mehr. In Filmen klettern Leute in solchen Situationen immer neunmalklug auf einen Baum und schlafen in einer Astgabel. Klingt nach einer guten Idee, aber probier das mal aus. Wenn du überhaupt dort hinaufkommst, die Insekten dich nicht auffressen und du nicht versehentlich einer Schlange ins Maul greifst, dann hältst du es gerade mal eine Viertelstunde in der beschissenen Astgabel aus. Danach tut dir der Hintern weh und dein Rücken und bald jeder einzelne Muskel im ganzen Körper. Nach einer halben Stunde wusste ich, dass ich mich nie im Leben dort oben würde halten können. Also bin ich wieder runter und bei Mondlicht weitergegangen. Nachts ist man da draußen nicht mehr allein, da kommen sie alle aus ihren Löchern, jedes Tier, das du dir vorstellen kannst. Nur von den großen hab ich keine mehr gesehen. Wahrscheinlich waren die Löwen in eine andere Richtung weitergezogen. Schließlich hab ich ein paar Stunden auf einem Felsen geschlafen, so gut es eben ging. Morgens bin ich dann weitergelaufen.«
    Ich hielt inne, weil ich noch immer keine Worte fand für das, was ich in den nächsten anderthalb Tagen durchgemacht hatte. Was ich gefühlt und gedacht hatte und wie groß meine Angst gewesen war. Die Tatsachen sahen so aus: Ich fand kein Wasser, keine Menschen und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich war. Ich stellte mir vor, dass uns mittlerweile irgendjemand vermisste und Khalif gefunden hatte und vielleicht annahm, die Löwen hätten meine Leiche fortgeschleppt. Später erfuhr ich, dass sie sogar intensiv nach mir gesucht hatten, nur nicht dort, wo ich tatsächlich war. Ein paarmal steckte ich mir die Pistole in den Mund und brachte es dann doch nicht fertig, abzudrücken. Stattdessen schleppte ich mich weiter, bekam Halluzinationen und war der Überzeugung, dass die Löwen mich verfolgten und nur darauf warteten, dass ich stolperte oder nicht mehr weitergehen konnte. Ich sah sie immer wieder neben mir, dann vor mir, und bis heute bin ich nicht sicher, ob sie nicht wirklich da waren und mich aus irgendeinem Grund am Leben ließen.
    »Ich lief einen Tag und eine Nacht«, fuhr ich fort, »ehe ich schließlich auf ein Dorf stieß. Die Menschen dort haben mir das Leben gerettet. Ich wurde mit einem Hubschrauber abgeholt, ins Krankenhaus gebracht und konnte zwei Wochen später zurück nach England fliegen.«
    »Du hast irres Glück gehabt«, sagte Tyler.
    »Das dachte ich auch. Aber dann ging es erst richtig los. Anfangs konnte ich nicht mehr schlafen, musste die ganze Nacht herumlaufen, konnte nicht still sitzen, schon gar nicht liegen. Wenn ich zu erschöpft war und doch noch

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