Phantom der Tiefe
Bericht und die Antwort, ob ich die Aufgabe übernehme, bis spätestens heute Abend .«
»Die - Aufgabe?«
»Später!«
Der körperlich völlig heruntergekommene Mann schüttelte den Kopf. »Nein! Jetzt! Wir können sofort reden! Ich will nicht allein sein .«
Kaya kniff die Lippen zusammen. Dann fragte sie: »Man hat Ihnen übel mitgespielt ...?«
Schulterzuckend erwiderte er: »Ich . nehme es an. Ich bin noch nicht lange wieder ... bei mir.« Er ballte die Fäuste. »Aber seit ich ... zu mir gekommen bin, ging es mir nicht gut. Der Professor sagte, es gehöre zur Therapie, damit ich wieder ganz gesund werde, aber .«
»Was gehöre zur Therapie?« Er muß sich umziehen, dachte Kaya unzusammenhängend. Die Kleidung, die er trug, war noch dieselbe wie in der Klinik.
»Das kalte Gerüst auf meinem Kopf . Der Strom, der in mein Hirn gejagt wurde ...« Kemer spreizte urplötzlich die Hände und starrte die Fingerspitzen an, als hätte er sie sich verbrannt.
Kaya spürte wieder dasselbe würgende Unbehagen wie in Professor Finiks Nähe.
»Das ist vorbei«, sagte sie. »Niemand wird Ihnen je wieder so etwas antun!«
Er sah sie an, als suchte er die Signale, die ihm helfen sollten, ihr zu vertrauen. Sein Gesicht war so nahe, daß Kaya innerlich erneut schauderte. Selten hatte sie einen so ausgemergelten Menschen gesehen. Und doch schimmerte bei allen Entbehrungen noch der Kemer Tersane durch, der er vor der Nacht am Ararat gewesen sein mußte.
Obwohl sie es eigentlich nicht zulassen wollte, fand sie selbst das, was von Tersane übriggeblieben war, noch überaus wertvoll .
Sie wich weiteren damit verknüpften Gedanken aus und sagte: »Wenn Sie wirklich glauben, bereit zu sein, in Ordnung. Unterhalten wir uns sofort.« Sie blickte kurz hinter sich zur Tür. Draußen auf dem Korridor standen zwei Soldaten, die sie hierher begleitet hatten und auch weiterhin auf Tersane achten sollten. Ein Fenster, aus dem er hätte fliehen können, gab es nicht. Nur diese Tür.
Daß ein Fluchtrisiko bestand, hatte Sardre nicht ausschließen wollen, der sich auf Finiks Gutachten verließ.
Finik ...
Kaya schluckte. Dann folgte sie Tersane zu dem kleinen Kartentisch, an dem der Mann sich inzwischen niedergelassen hatte.
»Möchten Sie etwas trinken oder essen?«
Tersane verneinte.
Kaya nahm ihm gegenüber Platz. Vorübergehend wußte sie nicht, wie sie das Gespräch beginnen sollte. Schließlich holte sie den Brocken aus der Tasche, den man bei Tersane gefunden hatte, legte ihn auf den Tisch und fragte: »Woher stammt das? Haben Sie es gefunden? Und wenn ja: Könnten Sie mich dorthin führen, wo Sie es fanden ...?«
Tersanes Augen schienen sekundenlang an dem versteinerten Holzstück festzukleben. Dann brach übergangslos ein Laut über seine Lippen, den Kaya nicht zu deuten vermochte, bis ihr Gegenüber ausstieß: »Großvater! Wie habe ich dich vergessen können .? Was -was ist mit . Großvater?«
Kaya begriff, daß ihre Aufgabe noch viel schwerer werden würde, als sie geglaubt hatte.
»Er ist tot. Man fand ihn zwischen den Zelten. Er muß an Herzversagen gestorben sein .«
Nach dieser Eröffnung war mit Tersane nicht mehr zu reden.
Irgendwann ließ Kaya ihn allein. Sie verließ das Quartier, kehrte aber noch vor dem Abend wieder zurück - und fand einen völlig veränderten Tersane vor.
»Helfen Sie mir - dann helfe ich Ihnen«, begrüßte er sie.
»Wobei soll ich Ihnen helfen?«
»Ich will noch einmal zum Ararat! Ich will herausfinden, was dort oben in der Höhle geschah! Ich . ich erinnere mich nicht mehr, aber es war schrecklich . und es ist schuld an dem, was uns dort widerfuhr. Das weiß ich, weil ich es fühle. - Bitte, versprechen Sie mir, daß Sie mir helfen werden, es herauszufinden!«
Kaya konnte ihn eine Weile nur anstarren. Sie hatte einiges erwar-tet, sogar daß Tersane sich plötzlich jedem Anliegen, das an ihn herangetragen wurde, versperren würde. Aber ganz gewiß nicht, daß seine Forderungen sich mit ihren völlig deckten .
»Höhle?« fragte sie. »Sie waren in einer Höhle?«
»Etwas ... ähnliches. Ein Stollen, ein Schacht ... das ist doch egal, oder? Lassen Sie uns gemeinsam dorthin gehen! Lassen sie uns nachsehen, was dort . lebt!«
»Lebt?«
Tersane schwieg.
»Was ist das letzte, woran Sie sich erinnern?«
»An diesen Stollen. Und daß ich fast in einen Abgrund gestürzt wäre. Im Berg. Daß in diesem Abgrund etwas war, das . das .« Auf seiner Stirn standen plötzlich Schweißperlen.
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