Philosophenportal
ersten Jahren seiner
niederländischen Emigration. Zu ihr gehörten zum Beispiel die beiden Untersuchungen zur Dioptrik und zur Meteorologie. Descartes
stellt sich dabei auf den Boden des kopernikanischen Weltbildes, das gerade von dem italienischen Mathematiker und Astronomen
Galileo Galilei durch die Entdeckung der Jupitermonde untermauert worden war. Auch schloss er sich Galileis neuer mechanistischer
Naturerklärung an, nach der Naturvorgänge nicht mehr durch innewohnende Zwecke oder verborgene Kräfte, sondern durch das mechanische
Prinzip von Druck und Stoß erklärt werden. Wie Galilei glaubte Descartes, dass sich Naturgesetzlichkeiten als mathematische
Gesetze, das heißt in Form von Zahlenverhältnissen, ausdrücken lassen. Descartes gilt noch bis heute als der Philosoph, der
für den Glauben steht, die Welt sei im wörtlichen Sinne »berechenbar«.
Jedoch auch
Die Welt
wurde zu Lebzeiten Descartes’ nie veröffentlicht. Der Grund dafür lag vor allem in der Verurteilung Galileis durch die päpstlichen
Behörden im Jahr 1633. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass die öffentliche Parteinahme für das kopernikanische |69| Weltbild von der katholischen Kirche als Häresie betrachtet wurde. Der Prozess gegen Galilei war ein europäisches Ereignis
und derart spektakulär, dass sich Descartes auch in den liberalen Niederlanden nicht sicher genug fühlte, Galileis Thesen
in seinen Schriften zu unterstützen. Er zog es deshalb vor, das Manuskript zunächst zurückzuhalten.
Einer seiner niederländischen Freunde, der berühmte Physiker und Sekretär des Prinzen von Oranien, Christiaan Huygens, überredete
Descartes jedoch, wenigstens Teile des Manuskripts zu veröffentlichen. So entschloss er sich zur Publikation dreier Abhandlungen,
nämlich über Dioptrik, Meteorologie und Geometrie. Diesen Essays sollte ein Vorwort vorangestellt werden, in dem Descartes
auf Methoden und Grundlagen der wissenschaftlichen Forschung eingehen wollte. Da diese Erörterungen aber weit über den Rahmen
eines schlichten Vorworts hinausgingen, wählte Descartes etwas später den Titel »Projekt einer universalen Wissenschaft, die
unsere Natur zum höchsten Grad der Perfektion erheben kann«.
Doch auch dieser Vorschlag hatte keinen Bestand. Als die Schrift schließlich erschien, lautete der vollständige Titel:
Abhandlung über die Methode, seine Vernunft richtig zu leiten und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen
.
Dazu die Dioptrik, die Meteorologie und die Geometrie, die Versuche in dieser Methode sind
. Descartes’ berühmte
Abhandlung
sollte also ursprünglich nichts anderes sein als die Skizze eines Forschungsprogramms, das er an Stelle seines großen naturwissenschaftlichen
Werks veröffentlichte. Die nachgestellten Essays sollten Beispiele dieses Programms sein.
Der ursprünglich als Vorwort geplante Teil wurde dabei allerdings immer mehr als die eigentliche Hauptschrift erkannt, so
dass in späteren Buchausgaben die naturwissenschaftlichen Essays nicht mehr mit abgedruckt wurden. Als
Discours de la Méthode
fand die Schrift Eingang in den klassischen Kanon der Philosophiegeschichte. Mit ihr betrat Descartes erstmals die öffentliche
Bühne als philosophischer Schriftsteller. Allerdings erschien sie anonym und, für damalige wissenschaftliche Publikationen
höchst ungewöhnlich, in französischer Sprache. Descartes verhielt sich also weiterhin vorsichtig |70| und wollte sein Buch aus dem Blickfeld der Kirchenzensoren nehmen, die vor allem das zur Kenntnis nahmen, was in der Wissenschaftssprache
Latein geschrieben wurde.
Die literarische Form der
Abhandlung
ist deutlich von den
Essais
Michel de Montaignes beeinflusst, mit denen dieser dem scholastischen Traktat eine subjektive und unsystematische Art des
Philosophierens entgegengesetzt hatte. Wie Montaigne schreibt Descartes in der Ich-Form und gibt der Schrift damit einen ausgesprochen
persönlichen Charakter. Deshalb hätte er auch die Übersetzung
Abhandlung über die Methode
für das französische
Discours de la Méthode
abgelehnt. Seine Schrift, so hat er in einem seiner Briefe betont, solle eben keine »Abhandlung«, also kein »Traité de la
Méthode« sein, kein Buch also, das den Anspruch erhebt, eine Methode zu »lehren«. Er wolle lediglich einen »Discours«, einen
Bericht über seine Methode, erstatten.
»Es ist also nicht meine Absicht«, so schreibt er im ersten Teil der
Abhandlung
, »hier
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