Philosophenportal
beschäftigte sich vornehmlich mit mathematischen Studien. Zu diesem Zweck zog er sich für einige Zeit nach Paris zurück.
1618, zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, lässt er sich in den Niederlanden in der Armee des Prinzen Moritz von Oranien
zum Offizier ausbilden. Nach Expeditionen quer durch Europa befindet er sich im Winter 1619 / 20 im Winterquartier in Neuburg an der Donau. Im nahen Ulm erfährt er in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1619 seine entscheidende philosophische Inspiration. Aus der Deutung dreier sehr intensiver Träume zieht er den Schluss,
dass es ihm aufgegeben sei, eine Methode zu entwickeln, die allen Wissenschaften als Grundlage dienen könne. Diese Suche nach
einer »Universalmethode« wird ihm von diesem Zeitpunkt an zum Lebensprogramm.
Doch noch sieht er die Zeit nicht gekommen, sich ganz den Wissenschaften und der Philosophie zu widmen. Er tritt in das Heer
des Herzogs von Bayern ein und nimmt 1620 an der Schlacht am Weißen Berg gegen den »Winterkönig« Friedrich von der Pfalz teil.
Erst danach verabschiedet er sich vom Militärleben. In den Jahren darauf ist |67| er unablässig unterwegs, vornehmlich in Frankreich und Italien. Er lebt, wie er selbst formuliert, hinter einer »Maske« und
folgt dem Ratschlag des griechischen Philosophen Epikur: »Lebe im Verborgenen!«
Dass seine rastlose Reisetätigkeit sowie seine Kontaktaufnahme zu Gelehrten in verschiedenen Ländern Europas mit seiner Nähe
zu der Bruderschaft der Rosenkreuzer zusammenhängt, ist häufig vermutet, aber bis heute nie ganz geklärt worden. Die Rosenkreuzer
verbanden eine mystische Geheimlehre mit einer aufklärerisch-humanitären Praxis. Wissenschaftliche Forschung und Austausch
gehörten ebenso zu ihren Grundsätzen wie gegenseitige Gastfreundschaft und Hilfe. Descartes hat auf allen seinen Reisen Aufnahme
bei wissenschaftlichen Gesprächspartnern gefunden. Nicht wenige davon waren Mitglieder der Bruderschaft.
Seine Kontakte zu holländischen Gelehrten mögen eine Rolle bei der Entscheidung gespielt haben, 1628 in die Niederlande zu
emigrieren, wo er mehr als zwanzig Jahre bleiben sollte. Aber auch das liberale politische Klima und die damit verbundenen
Möglichkeiten einer freien wissenschaftlichen Forschung haben ihn vermutlich angezogen. Wiederum versucht er, möglichst unerkannt
zu leben, und wechselt ständig seinen Wohnort. Er hält sich zeitweise in Amsterdam auf, zieht sich aber immer wieder aufs
Land zurück. Vieles in seinem Leben bleibt ein Geheimnis. Descartes’ Maske ist nie ganz gelüftet worden.
In den Niederlanden verwirklichte Descartes nun seine Absicht, sein Leben der Philosophie und Wissenschaft zu widmen. Wie
viele seiner Zeitgenossen war er von den Ergebnissen der neuen empirischen Naturforschung fasziniert. So führte er selbst
zahlreiche Experimente auf den Gebieten der Medizin und Naturwissenschaften durch, aber er trieb auch weiterhin mathematische
Studien, immer mit dem Ziel, der wissenschaftlichen Universalmethode auf die Spur zu kommen. Hiermit beschäftigte er sich
auch in seiner Schrift
Regeln zur Leitung des Geistes
, die vermutlich schon vor seiner Emigration nach Holland, spätestens aber im Jahr 1628 entstand. Sie ist Fragment geblieben
und wurde erst posthum veröffentlicht.
|68| Die
Regeln
enthalten in Grundlinien das, was man heute als Wissenschaftstheorie bezeichnen würde. Als Vorbild für die gesuchte Universalmethode
sieht Descartes hier die Mathematik, vor allem aber die Geometrie. Der geometrische Beweis galt ihm als die wissenschaftliche
Beweismethode schlechthin. Wissenschaftliche Aussagen müssen, so Descartes’ These, durch Analyse auf ihre Bestandteile und
Voraussetzungen zurückgeführt werden, um zu möglichst wenigen Grundsätzen, den so genannten »Axiomen«, zu gelangen, deren
Gewissheit intuitiv einsichtig ist. Aus diesen Grundsätzen werden dann durch Deduktion, das heißt durch logische Ableitung,
die einzelnen Gesetzmäßigkeiten einer Wissenschaft abgeleitet. Nach dem Vorbild der Mathematik ist Wissenschaft für Descartes
ein System sicherer Sätze, dessen Axiome intuitiv erkannt und dessen Folgesätze deduktiv bewiesen werden.
Wie eine solche Methode in einzelnen Wissenschaften zu Erkenntnissen führt, versuchte er in einer groß angelegten Schrift
mit dem Titel
Die Welt
zu demonstrieren. Sie sollte Descartes’ naturwissenschaftliches Hauptwerk werden und entstand in den
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