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Philosophenportal

Titel: Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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Montaigne jedoch, der gegenüber jeder Art von Erkenntnisgewissheit skeptisch
     blieb und sich auch gegenüber jeder »Methode« durch seine bewusst unsystematische Art des Philosophierens abgrenzte, glaubte
     Descartes, dass man auch das Ich methodisch erforschen und auf diesem Weg zu einer letzten Erkenntnisgewissheit gelangen könne.
     Montaigne machte planlose Streifzüge durch das Land des Ichs, Descartes dagegen betrat es mit voller Ausrüstung, um in ihm
     den archimedischen Punkt der Vernunft zu finden.
    Gemäß seinen eigenen methodischen Grundsätzen zweifelt Descartes an allem, was ihm als nicht evident wahr erscheint. Die Frage,
     die er an sein Bewusstsein richtet, lautet also: Gibt es etwas, das ich weiß und das nicht bezweifelt werden kann? Keine einzige
     Aussage über die Welt kann diese Evidenz beanspruchen. Unsere Sinneswahrnehmungen können uns täuschen. Auch die Wahrnehmung
     des eigenen Körpers kann auf einer Sinnestäuschung beruhen. Doch während dieses Zweifeln eine Gewissheit nach der anderen
     zerstört, bringt es auch eine neue, unbezweifelbare Gewissheit hervor. Ich kann alles anzweifeln, aber der Akt des Zweifelns
     selbst, der Akt des |75| Denkens, ist unbezweifelbar. »Je pense, donc je suis« – »Ich denke, also bin ich« – dies ist die fundamentale Gewissheit Descartes’,
     auf der alle anderen Gewissheiten aufbauen. In der lateinischen Form »Cogito ergo sum«, wie sie in seinen späteren Schriften
     zu finden ist, wurde sie zum vielleicht berühmtesten Schlagwort der Philosophiegeschichte. »Ich denke, also bin ich« ist für
     Descartes der intuitiv einsichtige »Grund-Satz«, aus dem das System absolut sicherer Sätze abgeleitet werden soll.
    Kann man aus diesem »Cogito ergo sum« also eine ganze Theorie der Wirklichkeit entwickeln? Ist es der Grundstein, auf dem
     das Haus des menschlichen Wissens errichtet werden kann? Descartes war davon überzeugt. Aus der Gewissheit des Denkens schließt
     er zum Beispiel auf die Natur des Menschen. Der Mensch hat zwar auch einen Körper und ist insofern mit den Tieren und der
     übrigen Natur verbunden. Doch als körperliches und zugleich denkendes Wesen ist er eine Doppelnatur. Das Ich, das sich im
     Denken offenbart und das Descartes mit der Seele identifiziert, ist für ihn das eigentliche Wesensmerkmal des Menschen. Wie
     die meisten antiken und mittelalterlichen Philosophen definiert Descartes den Menschen vom Geist, von der Vernunft, vom Bewusstsein
     her.
    Der Geist hebt den Menschen weit über seine natürliche Umwelt hinaus. Denn Körper und Geist sind für Descartes zwei unterschiedliche
     Substanzen, die Kluft zwischen ihnen ist nicht überbrückbar. Das charakteristische Merkmal der Materie ist Ausdehnung. Der
     Körper ist somit eine »ausgedehnte Sache«. Er ist nichts anderes, wie Descartes im fünften Teil seiner Schrift feststellt,
     als eine Maschine, die allerdings sehr viel kunstvoller konstruiert ist als alle anderen Maschinen. Im Gegensatz zu den Tieren
     ist der Mensch aber eine Maschine mit Seele. Und dies macht den entscheidenden Unterschied aus. Denn das charakteristische
     Merkmal der Seele ist Geist. Sie ist eine »denkende Sache« und den physikalischen Gesetzen nicht unterworfen. Daraus schließt
     Descartes auch auf die Unsterblichkeit der Seele: Da die Seele unabhängig vom Körper ist und demnach nicht mit ihm stirbt,
     ist sie unzerstörbar.
    |76| Aus der Gewissheit des »Ich denke« schließt Descartes auch auf die Existenz Gottes. Der Mensch macht zwar ständig die Erfahrung
     der Unvollkommenheit und des Irrtums, doch in seinem Denken selbst gibt es auch die unausrottbare Vorstellung der Vollkommenheit.
     Diese Vorstellung kann er jedoch nicht aus sich selbst entwickeln, da in seiner Welt Vollkommenheit nicht vorkommt. Sie muss
     ihm von einem vollkommenen Wesen, also von Gott, eingepflanzt worden sein. Gott ist zum Beispiel insofern gegenüber dem Menschen
     vollkommen, als er nicht mit einem Körper behaftet, sondern reiner Geist und damit wie die Seele unsterblich ist. Die Idee
     der Vollkommenheit umfasst aber vor allem die Existenz. Würde Gott nicht existieren, wäre er nicht vollkommen.
    Die Existenz Gottes wiederum ist die Garantie dafür, dass das, was wir als klar und deutlich erkannt haben, auch wirklich
     existiert und nicht Teil eines gigantischen Traums ist. Es ist nicht möglich, so Descartes, dass ein vollkommenes Wesen wie
     Gott uns in einem Zustand permanenter Täuschung

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