Philosophenportal
Formulierung der Prinzipien
vor, auf denen eine demokratische Nachkriegswelt aufbauen sollte. Mit dem Begriff der »offenen Gesellschaft« gab er das Stichwort
für eine Verteidigung der Demokratie, in der die Macht kontrolliert und soziale Gerechtigkeit auf der Grundlage der individuellen
Freiheit verwirklicht wird.
Es war ein ehrgeiziges Unternehmen, das Popper selbst ohne falsche Bescheidenheit so charakterisierte: »Der Bereich der philosophischen
Themen, die alle in einer äußerst verständlichen Art behandelt werden, ist umfangreicher als in jedem anderen Buch, das ich
kenne. Es behandelt die Philosophie der Geschichte und der Politik, es kritisiert die Grundlagen der Ethik, es wirft ein neues
Licht auf die Geschichte der Zivilisation . . ., es behandelt Probleme der modernen Logik . . ., es führt eine neue und praktische
Sicht der sozialwissenschaftlichen Methode ein ... und es ist nie oberflächlich.«
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
war die Antwort einer liberalen und aufklärerischen politischen Philosophie auf die ideologischen Kämpfe des 20. Jahrhunderts, aber sie führte auch weit darüber hinaus.
Ein aufmerksamer Beobachter und Teilnehmer der politischen Szene war der klein gewachsene und selbstbewusst auftretende Sohn
eines bekannten Wiener Rechtsanwalts schon lange vorher gewesen. Auch die Auseinandersetzung mit totalitärem Denken hatte
Popper bereits in jungen Jahren persönlich geführt. 1902 in Wien geboren, erlebte er als Kind gerade noch die letzten Jahre
der Donaumonarchie mit. Wie seine ganze Generation, so erfasste auch ihn am Ende |211| des Ersten Weltkriegs die allgemeine Aufbruchsstimmung, die besonders das »rote Wien« in den Gründerjahren der ersten österreichischen
Republik beherrschte. In einer Stadt, in der Armut, Arbeits- und Obdachlosigkeit an der Tagesordnung waren, schloss er sich
bereits mit sechzehn Jahren der kommunistischen Arbeiterbewegung an, angetrieben von dem Ziel, für soziale Gerechtigkeit und
eine grundlegende gesellschaftliche Umgestaltung zu kämpfen.
Doch schon ein Jahr später, im Juni 1919, hatte er das, was er später als ideologisches »Schlüsselerlebnis« bezeichnete: Er
nahm an einer Demonstration der Kommunistischen Partei teil, bei der ein Dutzend Teilnehmer von der Polizei erschossen wurde.
Popper empfand dieses Blutvergießen als tragisch und fühlte sich mitschuldig. Die Erklärung der Parteifunktionäre, die Opfer
seien für eine zukünftige und unvermeidliche Weltrevolution gestorben, stand seinen moralischen Grundüberzeugungen entgegen.
In dem Glauben der Kommunisten an die Weltrevolution und an den »notwendigen historischen Fortschritt« sowie in ihrer Bereitschaft,
dafür auch Menschenopfer zu bringen, sah er eine Geringschätzung des Menschen.
Popper wandte sich vom Kommunismus ab. Er entwickelte von nun an ein grundlegendes Misstrauen gegen die Überzeugung, dass
die Geschichte von unveränderlichen Gesetzen bestimmt werde, dass es möglich sei, ihren Verlauf vorauszusagen, und dass es
Aufgabe einiger Auserwählter sei, die Menschen zu »führen« und sie zur »Einsicht in die Notwendigkeit« zu bringen.
Dem gesellschaftlichen Engagement und Ziel umfassender sozialer Reformen blieb der junge Popper dennoch verpflichtet. Er entschloss
sich, als Street-Worker zu arbeiten und sich gleichzeitig einer Lehrerausbildung zu unterziehen. Daneben fand er auch noch
Zeit, ein Psychologie- und Philosophiestudium an der Universität zu absolvieren, das er mit der Promotion abschloss. Als er
1930 eine Stelle als Hauptschullehrer antrat, hatte sich sein Interesse einem Thema zugewandt, das auch im Mittelpunkt des
berühmten Wiener Kreises um Moritz Schlick und Rudolf Carnap stand: Worin besteht der wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisfortschritt
und wie unterscheiden sich wissenschaftliche von nichtwissenschaftlichen Theorien?
|212| Als Zeuge und Kritiker des Wiener Kreises entwickelte Popper seine ganz eigene Antwort auf diese Fragen in einem Buch, das
ihm große Anerkennung in den etablierten Zirkeln der akademischen Philosophie verschaffte. 1935 erschien die
Logik der Forschung
, mit der er zum Begründer der modernen Wissenschaftstheorie werden sollte. Unser Wissen über die Welt, so Popper, macht dadurch
Fortschritte, dass wir unsere Theorien mit der Erfahrung konfrontieren, sie dort scheitern lassen und dann nach besseren Theorien
suchen. Wissenschaftlich sind unsere
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