Pinguin Mord
Zigarettenstummel im überquellenden
Aschenbecher aus und verschwand im Bad. Wann würde er endlich
einmal zu seinem wohlverdienten Schlaf kommen?
43
Montag, 8:45 Uhr,
Redaktion der Wupperwelle
»Schön,
dass ihr da seid«, wurden sie von Mike Müller empfangen.
Er grinste über beide Ohren, als Heike und Stefan im
Großraumbüro der Redaktion erschienen. Seine
Fröhlichkeit nervte Stefan. Täuschte er sich, oder
himmelte dieser Schnösel seine Heike
an?
»Es gibt alle
Hände voll zu tun.«
»Ich liebe es,
wenn die neue Woche so anfängt«, murmelte Stefan
sarkastisch. Heike grinste ihn an. »Das wird schon«,
lachte sie und wandte sich dann dem Praktikanten zu. »Also,
was ist so aufregend?«
»Die Frau des
Spediteurs Wittwer hat Plunger kaltgemacht. Und nicht nur das:
Nachdem die Bullen davon Wind bekommen haben, hat sie sich selbst
gerichtet.« Er fuhr sich bezeichnend mit der Handkante
über die Kehle und wedelte mit einem Blatt Papier herum.
»Hier«, sagte er und hielt den Zettel wie eine
Trophäe in die Höhe. »Die Pressemeldung des
Präsidiums. Und Eckhardt hat mich damit beauftragt, einen
Beitrag darüber zu sprechen.«
Heike glaubte sich
verhört zu haben. »Bitte?« Ihr wurde heiß
und kalt, und
als sie zu Stefan aufblickte, sah sie, dass es ihm genauso ging.
»Ich soll einen
Beitrag über den Selbstmord von Jessica Wittwer machen«,
wiederholte Müller und zog einen Flunsch.
»Nicht
das«, winkte Heike ab. »Was hast du gesagt? Jessica
Wittwer ist tot?«
Der Praktikant nickte
aufgeregt. »Selbstmord, nachdem sie ein Geständnis
abgelegt hat.« Müller grinste. »Wie dem auch sei:
Eine brutale Mörderin weniger in dieser Stadt. Wuppertal ist
wieder ein wenig sicherer.«
Stefan und Heike
hatten sich an ihren Schreibtischen niedergelassen und die Rechner
eingeschaltet. Der pickelgesichtige Praktikant war ihnen gefolgt.
Er redete wie ein Wasserfall. »Ich finde es toll, beim Radio
zu arbeiten. Hattest Recht, Heike: Es gibt kein schnelleres Medium
als uns. In der Zeitung von heute Morgen steht noch kein
Sterbenswort vom Selbstmord der Wittwer. Aber wir hatten es schon
vor gut zwei Stunden in den Lokalnachrichten um halb sieben.«
Stefan nickte schweigend. Müller ging ihm auf die Nerven. Er
hasste Leute, die schon am frühen Morgen ohne Punkt und Komma
auf ihn einredeten. Er brauchte etwas Anlaufzeit in den neuen Tag.
Die Nacht war aufregend genug gewesen. Der Tod von Jessica Wittwer
lag ihm schwer im Magen. Sie wirkte bedrückt und schien mit
den Gedanken woanders zu sein. Er versuchte sich zu konzentrieren,
während er den E-Mail-Eingang prüfte. In einer
Viertelstunde fand die allmorgendliche Redaktionskonferenz statt.
Dort wurden alle Themen besprochen, die im Laufe des Tages
über den Sender gehen sollten. »Ist gut, Mike«,
sagte Heike nun.
Das war das Zeichen
für Müllers Abgang. »Wir sehen uns dann gleich in
der Konferenz«, sagte er und tummelte sich.
»Wer hat den
denn losgelassen?«, fragte Stefan, der dem jungen Kollegen
lange nachschaute.
»Keine
Ahnung«, erwiderte Heike. »Er macht hier ein
Praktikum.
Ich hatte am Samstag
das zweifelhafte Vergnügen, ihm über den Weg zu laufen,
als du im Stadion warst.«
»Der Knabe hat
‘ne Macke.«
»Eine?«
Heike lachte. »Er steht auf…« Sie suchte nach
dem Begriff. »Wie hat er es genannt? Er steht auf
Provokations-Journalismus.« Jetzt nickte sie. »Ja, ich
glaube, so hat er es genannt. Er will die Menschen aufmerksam
machen auf das, was in der Stadt passiert.«
»Da ist er bei
Eckhardt ja an der richtigen Stelle.«
»Was ist mit
mir?« Wie ein Schatten war Michael Eckhardt hinter Stefan
aufgetaucht. »Haben Sie von mir geredet?«
Stefan fuhr auf seinem
Bürostuhl herum und blickte zu Eckhardt auf. Der Chefredakteur
trug ein beigefarbenes Hemd und eine dunkelbraune Krawatte, die
schon wieder auf halb acht hing. Das Hemd wies Kaffeeflecken auf,
die Haare hatte er sich bereits gerauft. Alles beim Alten, dachte
Stefan und hatte Mühe, sich ein Grinsen zu
verkneifen.
»Wir sprachen
gerade über Müller und seine seltsame Auffassung von
Journalismus«, half Heike ihm schnell.
»Stimmt.«
Eckhardt stellte seinen leeren Kaffeepott auf dem Schreibtisch ab.
»Er ist der Neffe eines guten Freundes und will unbedingt
Reporter bei uns werden. Ich habe um des lieben Friedens willen
zugestimmt, ihm durch ein Praktikum eine Chance zu geben, sich in
unserem Beruf zu beweisen.«
»Das schafft er
scheinbar ja ganz gut«,
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