Pinguin Mord
die
Wahrheit herausfinden - mehr nicht.« Er lehnte sich
lächelnd zurück. »Also?«
»Um es auf den
Punkt zu bringen; Ich bin unschuldig und leide genauso unter dem Tod von
Karlheinz Kötter wie die anderen Verwandten.«
»Womit wir beim
Stichwort wären«, nickte Ulbricht. »Es gibt
außer Kötters Vater keine Verwandten mehr. Damit
wären Sie die Alleinerbin des Kötter-Vermögens und
finanziell saniert.« Er achtete auf jede Reaktion in Thea
Gatz’ Gesicht. Sie zuckte bei jedem Satz wie unter einem
unsichtbaren Peitschenhieb zusammen. »Und damit kann man
schnell den Rückschluss ziehen, dass Ihnen der Tod Ihres
Vaters gerade recht ist, um…« Ulbricht brach mit einem
feinen Lächeln auf den Lippen ab und zog an seiner
Zigarette.
Thea Gatz schwieg und
schaute auf ihre Schuhspitzen. Schlimm genug, dass sie die Nacht in
einer der neunzehn Einzelzellen des Präsidiums verbracht
hatte. Im Polizeigewahrsam wurden normalerweise nur Personen
untergebracht, die vorläufig festgenommen waren. Nach einer
schlaflosen Nacht, die Thea Gatz auf ihrer unbequemen Pritsche
verbracht hatte, wirkte sie krank und übernächtigt.
Dunkle Ringe lagen unter ihren braunen Augen. »Ich habe
über die Gegensprechanlage der Zelle mehrmals versucht, einen
Ihrer Mitarbeiter zu sprechen zu bekommen -vergeblich. Man hat mich
behandelt wie eine Verbrecherin.«
»Es gibt
Kollegen, die den Verdacht haben, dass Sie das auch
tatsächlich sind.«
»Wer sagt
das?«
»Nun, für
einige Kollegen spricht viel dafür, dass Sie Karlheinz
Kötter getötet haben, und das zeigen sie Ihnen - habe ich
Recht?« Er lächelte.
»So kann man es
auch nennen.« Thea Gatz nickte. »Sagen Sie - was
spielen Sie mit mir? Böser Bulle, guter Bulle? Sind Sie jetzt
der gute Bulle?«
»Sie sehen zu
viele von diesen verdammten amerikanischen Krimis«, stellte
Ulbricht fest. Er sog an seiner Zigarette und blies Rauchkringel an
die Bürodecke. »Darf ich Ihnen etwas
anbieten?«
»Einen Kaffee
vielleicht.«
Ulbricht griff zum
Telefon und orderte zwei Tassen Kaffee.
»Und?«
»Was -
und?« Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl
herum.
»Ich will die
ganze Geschichte hören, und zwar allein aus Ihrer Sicht. Und
auch wenn Sie die Geschichte meinen Kollegen schon hundert Mal
erzählt haben: Ich höre sie zum ersten Mal, und ich will
mir ein eigenes Urteil bilden. Und das kann durchaus von Vorteil
für Sie sein.«
Der Kaffee kam, sie
tranken schweigend, bis die Bürokraft, die wortlos erschienen
war, ebenso stumm wieder abgezogen war. Als sie alleine waren,
begann Thea Gatz zu erzählen.
»Schon als
junges Mädchen wusste ich, dass mein Vater mit einer anderen
Frau verheiratet war und nicht mit meiner Mutter. Meine Mutter war
bei einem One-Night-Stand schwanger geworden, und er hat sich aus
dem Staub gemacht, bevor ich geboren wurde. Seinen Unterhalt zahlte
er regelmäßig. Aber meine Mutter machte lange ein
großes Geheimnis um die Identität meines Vaters. Jetzt
aber hat sie von Vater erzählt. Zumindest ansatzweise. Ich
hatt eine Grundlage für meine Recherchen und wurde
fündig.« Sie lächelte versonnen. »Wozu gibt
es schließlich das Internet? Dennoch war es nicht ganz
leicht, etwas über meine Herkunft zu erfahren. Aber von Monat
zu Monat wuchs der Wille in mir, meinen Vater endlich zu finden und
ihn kennenzulernen. Ich empfand keinen Hass gegen ihn. Auch wenn er
meine Mutter verlassen hatte, als sie mit mir schwanger war, wollte
ich ihn nicht zur Rechenschaft ziehen. Ich hatte einfach nur das
Bedürfnis, meinen Vater persönlich kennenzulernen, ich
wollte ihn sehen, ihn fühlen und seine Stimme hören. So
wie das andere Mädchen auch wollen. Verstehen Sie
das?«
Ulbricht nickte. Er
drehte die Tasse in den Händen und hing an den Lippen der
Besucherin. »Sie haben ihn am Abend der … am Abend
seines Todes erst kennengelernt?«
»Ja.« Sie
nickte und starrte auf den frisch gebohnerten Fußboden.
»Für knapp zwei Minuten habe ich ihn leibhaftig gesehen
und mit ihm gesprochen. Doch ich kam nicht mehr dazu, ihm zu sagen,
was mich bewegte und was ich von ihm wollte. Kaum, dass ich meinen
Vater gefunden habe, wurde er mir weggenommen.« Tränen
sammelten sich in ihren Augen. »Das ist so verdammt
ungerecht.«
»Wie hat er auf
Sie reagiert?«
»Zunächst
abweisend. Er wollte mich nicht sehen. Doch ich ließ nicht
locker. Habe ihm erzählt, dass ich nichts von ihm will,
außer dass er endlich akzeptiert, dass er eine Tochter hat
und dass wir
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