Pinguin Mord
Heike. Sie
befanden sich im achten Stock des WSW-Verwaltungsgebäudes an
der Bromberger Straße. Hier lag der Konferenzraum, in dem
die üblichen Pressekonferenzen
stattfanden. Auch der Vorstand tagte hier. Natürlich war Heike
schon öfter bei öffentlichen Sitzungen hier zu Besuch
gewesen; doch diesmal hatte sie die Möglichkeit, die
wundervolle Aussicht über Wuppertal zu genießen. Direkt
unter ihr lag der Carnaper Platz, der für Zirkusvorstellungen
und die Kirmes genutzt wurde. Links daneben die Kliniken St.
Antonius, und weiter hinten überragte der Schornstein des
Heizkraftwerkes fast 140 Meter das Zentrum von Barmen. Im
Hintergrund erkannte Heike die sanften grünen Hügel der
Barmer Anlagen. Um ein Haar hätte sie den Grund ihres Besuches
vergessen.
»Sie sind wegen
der neuen Schwebebahnzüge hier«, erinnerte Michaelicke
sie und rückte seine Brille zurecht. Er war fast zwei Meter
groß und von stabiler Statur, ohne jedoch dick zu
wirken.
»Ja,
richtig«, lachte Heike. »Sony, ich glaube, ich bin
verliebt in meine Stadt. Die letzten zwei Jahre war war ich ja in
Berlin.«
»Das klingt nach
Else Lasker-Schüler.« Michaelicke schmunzelte. Heike
zückte das kleine digitale Aufnahmegerät. »Dann
lassen Sie uns anfangen.«
Michaelicke
lächelte. »Gern, Frau Göbel.« Sie setzten
sich an den langen Tisch. Heike brachte das Aufnahmegerät
zwischen ihnen in Position und richtete das kleine Mikrofon aus.
»Der Countdown für die neuen Schwebebahnzüge hat ja
inzwischen begonnen.«
Michaelicke nickte.
»Die neuen Bahnen werden nicht vor 2012 kommen. Bis dahin
müssen die 27 verbliebenen Wagen aus den Siebzigern noch
halten.« Er zwinkerte ihr zu. »Wie Sie wissen, ist die
Wuppertaler Schwebebahn ein wesentlicher Bestandteil des
Öffentlichen Personennahverkehrs in Wuppertal. Derzeit
befördern wir rund 90.000 Fahrgäste pro Tag. Für die
Zukunft gehen wir von höheren Anforderungen aus, da das
Fahrgastaufkommen wohl steigen wird. Handlungsbedarf besteht auch
in Sachen Komfort und Service. Aber auch Gesichtspunkte wie
Geräuschemissionen und Aufprallsicherheit haben wir unseren
Entwicklern ins Lastenheft geschrieben. In einer ersten
Projektstufe wurde eine Analyse der derzeitigen
Schwebebahn durchgeführt. Dabei wurden alle Eckpunkte für
die anstehende Modernisierung herausgearbeitet.«
»Was bedeutet
das im Detail?«
»Stichworte wie
Energierückführung, Umweltverträglichkeit und somit
auch Beschleunigungs- und Bremswerte waren vordringlich für
die weitere Planung.« Michaelicke setzte die Brille ab und
führte die Bügel zu den Lippen, während er weiter
ausholte: »Die zweite Projektstufe umfasst das
äußere Erscheinungsbild der neuen Wagen. Punkte wie die
Inneneinrichtung und die Türentechnik werden schon jetzt
berücksichtigt. Antriebs- und Bremskonzepte werden verglichen
und optimiert. Verschiedene Fahrwerkkonzepte stehen zur
Diskussion.«
»Es hieß
ja anfangs, dass die neue Generation der Wuppertaler Schwebebahn
fahrerlos sein sollte.«
»Das haben wir
nach anfänglichen Überlegungen schnell wieder
verworfen«, erwiderte Michaelicke. »Zunächst
hätte die Umrüstung auf die fahrerlose Bahn eine Menge
Geld gekostet, und zudem wollten wir es unseren Fahrgästen
einfach nicht zumuten, dass sie mit sogenannten
›Geisterbahnen‹ durch Wuppertal fahren müssen.
Für den einen oder anderen wären Bahnen ohne Fahrer
sicherlich doch recht unheimlich.«
»Wie werden die
neuen Züge denn aussehen?«
»Sicherlich wird
das klassische Orange-Blau der jetzigen Züge aus den siebziger
Jahren verschwinden. Die neuen Züge werden natürlich
moderner sein und schnellere Takte fahren können, als wir das
heute realisieren können. Darauf wurde übrigens schon bei
der Erneuerung des Gerüsts geachtet. Auch haben wir unsere
Fahrgäste gefragt, was sie sich von ihrem neuen Wahrzeichen
wünschen. Vielleicht bekommen die Bahnen eine Klimaanlage,
vielleicht auch bequemere Sitze. Derzeit arbeiten wir an
Detaillösungen, die noch in die Entwicklung einfließen
werden.« Michaelicke zwinkerte ihr zu.
»Möglicherweise werden wir in unseren neuen Zügen
sogar das Programm der Wupperwelle live übertragen.« Als
Heike die nächste Frage stellen wollte, klingelte ein
Handy.
Michaelicke murmelte
eine Entschuldigung und zog sein Telefon aus dem Jackett hervor.
»Was?!? Vor fünf Minuten? Ja, da muss ich hin, klar.
Sicherlich werden Fragen gestellt werden. Natürlich. Bis
gleich, bin schon
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