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Pinguin Mord

Pinguin Mord

Titel: Pinguin Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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verreisen. Sie liebte das Meer, und
ein paar Mal im Jahr überraschte er sie mit einem Ausflug an
die Nordsee. Nicht lange, nur ein paar Tage, denn so viel verdiente
er als Schwebebahnfahrer nicht. Er freute sich auf den Ruhestand,
den er Ende des Jahres beginnen würde. Dann wollten sie sich
ein kleines Wohnmobil anschaffen, um damit um die Welt zu fahren.
Die Zeit, in der er seine Stadt aus der »zweiten Ebene«
betrachtete, gehörte bald der Vergangenheit an. Mit einem fast
wehmütigen Lächeln auf den Lippen dachte der ergraute
Schwebebahnfahrer an die ganzen Jahre, die er erst mit dem
Linienbus, dann später mit der Straßen- und
schließlich mit der Schwebebahn verbracht hatte. Immer
war er unterwegs gewesen, oft Tag und Nacht, manchmal auch am
Wochenende. Viel hatte er in dieser Zeit erlebt. Einmal hatte er
sogar einen Toten in seiner Schwebebahn bis zur Endstaion Vohwinkel
gefahren, ohne es zu bemerken. Er liebte seinen Beruf. Trotzdem
freute sich Zoch nach all den Jahren auf seine wohlverdiente
Rente.
    Nach der langgezogenen
Linkskurve kam die Bundesallee in sein Blickfeld. An dieser Stelle
überquerte die Bahn die vierspurig ausgebaute Straße.
Der Zug war knapp vierzig Stundenkilometer schnell. Gerade als er
das Tempo des orange-blauen Lindwurms erhöhen wollte, erkannte
er unten auf der Straße unheilvollen, dichten schwarzen
Rauch. Unwillkürlich verlangsamte Zoch die Fahrt. Er wollte
sehen, was da unten los war. Ein Fahrzeug stand auf der mittleren
Fahrspur in Richtung Elberfeld und schien zu brennen.
»Scheiße«, kam es über Zochs Lippen. Der
Schwebebahnfahrer schätzte, dass die Bahn an dieser Stelle
rund fünf Meter über der Straße fuhr. Zoch wurde
klar, dass er die Schwebebahn genau durch den tiefschwarzen Qualm
steuern musste. Zum Bremsen war es bereits zu spät. Im
gleichen Augenblick kam in der Schwebebahn Unruhe auf. Die rund
einhundert Fahrgäste hatten auch bemerkt, was auf der
Straße los war. Rufe gellten durch die Bahn. Jetzt
umhüllte die schwarze Rauchsäule den Zug. Es war, als
würde er durch eine dichte schwarze Nebelwand fahren. Durch
das schräggestellte Fenster an seiner Seite roch er den
beißenden Brandgeruch. Zoch drückte den Fahrthebel nach
vorn. Im gleichen Augenblick sah er einen grellen Lichtblitz, der
ihn sekundenlang blendete. Flammen schlugen vor die Fenster, und
ein dumpfer Schlag traf die Schwebebahn. Das ohrenbetäubende
Krachen einer Explosion übertönte alle anderen
Geräusche im Zug. Glas splitterte. Der brennende Wagen schien
genau unter ihm explodiert zu sein! Zoch hatte die Druckwelle bis
in die Bahn gespürt. Ein Ruck ging durch den vierundzwanzig
Meter langen Zug. Irgendetwas an der Schwebebahn knallte, dann hob
sich der Wagen
kurz im Gleis an, um sofort wieder hart auf die Schiene zu krachen.
War das Fahrgestell beschädigt oder gar abgerissen? So wie
damals, am 12. April 1999? Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Zoch
erhob sich aus dem Fahrersitz und blickte sich um. Die Frontscheibe
der Bahn war gerissen. Hinter ihm brach Tumult aus. Fahrgäste
schrien wild durcheinander. Das Weinen eines Kindes mischte sich
unter das Kreischen einer alten Frau. Panik kam auf.
    Zoch versuchte alles
auszublenden. Dann endlich stand die Schwebebahn, kaum dass sie die
B7 überquert hatte. Sanft pendelte der Zug am grünen
Gerüst. Der grauhaarige Schwebebahnfahrer fuhr sich mit den
Händen durch das Gesicht. Seine Augen brannten.
Beißender Rauch erfüllte die Schwebebahn. Zoch begann zu
husten, als er sich im Fahrerstand erhob und die Tür zum
Fahrgastraum öffnete. Jetzt musste er sich zunächst
einmal um die Fahrgäste kümmern. Vielleicht gab es
Verletzte. Glücklicherweise zog der giftige Brandgeruch jetzt
hinter der Schwebebahn in den blauen Sommerhimmel über
Wuppertal. Solange er nicht wusste, was genau passiert war,
würde er keinen Meter weiterfahren. Er hatte nicht vor,
Menschenleben im sichersten Verkehrsmittel der Welt zu
gefährden.

48
    Montag, 10:20 Uhr,
WSW-Verwaltungsgebäude
    »Eine traumhafte
Aussicht haben Sie von hier oben«, staunte Heike und konnte
sich kaum von Blick über die Stadt lösen. Wenn sie nach
Norden blickte, sah sie die Lastwagen und PKW auf der Autobahn 46
fast auf Augenhöhe vorbeiziehen. Den Blick nach Süden
gewandt, breitete sich das Tal der Wupper wie eine Spielzeugstadt
unter ihr aus. Barmen lag ihr zu Füßen.
    »Hier lässt
es sich arbeiten«, schmunzelte Mark Michaelicke, der
Pressesprecher der Verkehrsbetriebe, und trat neben

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