Pinguin Mord
Blick
hinauf zu der ramponierten Schwebebahn. Sie sah ihm förmlich
an, dass es ihm im Innern seines Herzens weh tat, dass das
Wuppertaler Wahrzeichen beschädigt worden war. Bislang hatte
ihr Hauptinteresse der Schwebebahn gegolten, die, einem
schwankenden Mahnmal gleich, sanft am Gerüst pendelte. Jetzt
betrachtete Heike das brennende Autowrack. Das Feuer hatte aus dem
Wagen einen unkenntlichen Klumpen Schrott gemacht. Die Fenster
waren unter der enormen Hitze geplatzt. Der Lack warf Blasen auf
dem heißen Blech. Dennoch erkannte sie die markanten, elegant
geschwungenen Linien eines Jaguars.
49
Montag, 11:05 Uhr,
Mollenkotten
»Hier ist
es.« Heinrichs deutete auf das schmucke Einfamilienhaus am
Waldrand. Von der Straße Mollenkotten waren sie talwärts
in den Nächstebrecker Busch abgebogen. Nachdem die
Straße über die A46 geführt hatte,
verengte sich die Fahrspur. Auf einer Wiese weideten Kühe und
blickten verwundert auf, als sie den unauffällig lackierten
Opel bemerkten. Links gab es einen Wald. Eine fast ländliche
Wohngegend, kaum zu glauben, dass sie vom Industriegebiet
Nächstebreck keine zwei Autominuten entfernt waren. Dann
standen sie vor einem Einfamilienhaus. Eine alte Frau war im Garten
damit beschäftigt, ihre üppig blühenden Rosen zu
beschneiden. Sie blickte neugierig von ihrer Arbeit auf, als
Ulbricht den Dienstwagen direkt vor dem Zaun zum Stehen brachte und
den Motor abschaltete. »Die Adresse stimmt zumindest. Wie auf
dem Dorf hier, was?«
»Nächstebreck halt.
Fast schon nicht mehr Wuppertal.« Ulbricht zog den
Zündschlüssel ab. »Am nordöstlichsten Zipfel
sozusagen, aber immer noch unser Einsatzgebiet.«
»Dann auf in den
Kampf.« Heinrichs grinste blöde, als er die
Beifahrertür öffnete. Er trug ein albernes T-Shirt und
eine für Ulbrichts Geschmack seltsam geschnittene Jeans mit
übergroßen Taschen am Hintern. Das Rauschen der nahen
Autobahn mischte sich unter das Muhen der Kühe. Seite an Seite
traten die Männer an das Gartentor. Die alte Dame wischte sich
ihre Finger an der dunkelgrünen Gartenschürze ab und trat
näher. »Kann ich Ihnen
helfen?«
»Sind Sie Frau
Meves? Helga Meves?«, fragte Heinrichs.
Die alte Dame nickte
misstrauisch. Ein Schatten legte sich auf ihr faltiges Gesicht.
»Ja, worum geht es?« Sie strich sich durch das kurze,
silbergraue Haar. Ihr Blick huschte unstet zwischen Heinrichs und
Ulbricht hin und her.
Ulbricht versuchte ein
zaghaftes Lächeln und zeigte ihr seinen Dienstausweis.
»Ulbricht mein Name.« Er deutete mit dem rechten Daumen
auf Heinrichs. »Das ist mein Kollege
Heinrichs.«
Helga Meves starrte
auf den Dienstausweis. »Kriminalpolizei? Ich habe nichts
verbrochen. Was wollen Sie von mir?« Ihre Haut war
plötzlich aschfahl.
»Dürften
wir vielleicht reinkommen?«
»Gern.«
Sie legte die Rosenschere fort und öffnete das Holztor.
Ulbricht trat, von seinem Assistenten gefolgt, ein. Er blickte sich
um. »Schön haben Sie es hier. Richtig
ländlich.«
Heinrichs blickte an
der Fassade des Hauses hinauf. »Ihr Haus?«
»Ja. Und
abbezahlt.«
»Nett.«
Sie ging nicht darauf
ein. Ohne ein weiteres Wort führte sie die Besucher durch den
Garten hinters Haus. Hier gab es eine Terrasse mit
Waschbetonplatten. Helga Meves deutete auf die Sitzecke, die aus
einer einfachen Plastikbank, klapprigen Stühlen und einem
Tisch bestand. Auf der Wachstuch-Tischdecke die neueste Ausgabe vom
»Goldenen Blatt« und ein Bierglas mit Goldrand, in dem
sich abgeschnittene Blumen aus dem Garten befanden. »Nehmen
Sie Platz.«
Ulbricht zog sich
einen Stuhl zurecht, Heinrichs setzte sich auf die Bank.
»Nett haben Sie es hier, Frau Meves«, versuchte
Heinrichs einen zweiten Anlauf. Die Vögel zwischerten, und man
konnte kaum glauben, dass diese Idylle noch zu Wuppertal
gehörte.
»Ich liebe die
Ruhe hier draußen. Das ist das Schöne an
Wuppertal.« Jetzt lächelte sie nachdenklich.
»Eingebettet ins Tal der Wupper, ist unsere Stadt doch
überall von einem herrlichen Grün umgeben. Die Hügel
am Stadtrand mit den Wäldern und Wiesen sind nicht
selbstverständlich für eine Stadt dieser
Größenordnung.«
»Es wurde viel
gebaut in den letzten Jahrzehnten.« Ulbricht lächelte.
»Ist Ihr Haus auch direkt nach dem Krieg
entstanden?«
»Was meinen
Sie?«
»Ich meine, dass
ein Bauunternehmer hier immer volle Auftragsbücher hat -
könnte ich mir zumindest vorstellen.«
Sie wurde ernst.
»Was kann ich für Sie
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