Pinguinwetter: Roman (German Edition)
doch, Finn!« Trine rollte die Augen Richtung Finn, der ein Meister seines Fachs zu sein schien. Alle Reiswaffelbrösel waren bis auf den letzten Krümel versenkt.
»Ja«, korrigierte ich mich, »also bis auf die Sch-Uh-Er-Ka-Eh-En?«
»Ach, es geht. Ich schlafe nachts kaum mehr. Paul hat zwar schon immer geschnarcht, aber es wird permanent schlimmer. Zurzeit liegt er immer auf dem Bauch und macht diese seltsamen Sterbegeräusche.«
Trine versuchte, Pauls Sterbegeräusche zu imitieren. Es hörte sich an wie ein Elefant, der bei einer Wassergeburt untergeht.
»Danke, Trine. Sehr gut veranschaulicht. Du Arme!«
»Ja, oder? Paul muss jetzt im Wohnzimmer schlafen. Und das Klo im Keller benutzen. Ich kann gerade weder seine Geräusche noch seine Gerüche ertragen.«
Ich wusste plötzlich nicht mehr, wen ich mehr bemitleiden sollte: Trine oder Paul.
»Und dann das viele Liegen!« Trine stützte ihr rosiges Gesicht in die Hände. »Und außerdem habe ich auch wieder diese Gelüste.«
Ich überlegte kurz, ob ich das alles wissen wollte. Und beschloss, dass heute ein mutiger Tag war.
»Was für Gelüste?«
»Auf polnisches Essen.«
Als ich sie vor ein paar Jahren zu der Hochzeit einer entfernten Cousine meiner Großtante Wanda mit nach Polen genommen hatte, war Trine auf den Geschmack von polnischem Essen gekommen. Besonders während der Schwangerschaft mit Finn aß sie Barszcz und Pierogi , was das Zeug hielt.
»Ach so«, seufzte ich erleichtert, »wenn’s nur das ist. Ich dachte schon, du hättest ganz andere Gelüste.«
Trine hielt auch mit noch delikateren Themen meistens nicht hinterm Berg.
»Die habe ich auch! Aber komischerweise nicht mit Paul.«
Oje! Ich biss mir auf die Lippen. Jetzt hatte ich auch noch den Anstoß gegeben.
»Letztens im Supermarkt, an der Gemüsetheke, da stand so ein süßer Typ und hat gerade seine Zucchini abgewogen.«
Ich dachte: Oh nein.
Ich sagte: »Oh nein.«
»Er hatte so ’ne süße Hornbrille an und guckte so niedlich verwirrt. Ich hab mir vorgestellt, wie wir es wild zwischen den Zucchini machen. Allerdings habe ich mit dem dicken Bauch dabei sämtliche Regale abgeräumt. Bis zu den dreifarbigen Paprika. Es war trotzdem toll!« Reumütig fügte sie noch hinzu: »Ich meine, die Vorstellung war toll.«
»Ich glaube, ich möchte niemals schwanger werden. Das hört sich alles sehr anstrengend an. Und der arme Paul erst!«
»Ach der. Der muss sich nicht mit der Kugel durch die Gegend rollen. Ein paar Tage auf dem Sofa werden ihn schon nicht umbringen. Nur die Zucchini-Geschichte fand er beängstigend.«
»Du hast ihm die doch nicht etwa erzählt?«, fragte ich ungläubig.
»Doch, klar. Wir sagen uns alles.«
Trine war manchmal mehr als nur schmerzfrei. Paul allerdings auch.
»Aber sag mal, Charlotte, was gibt es eigentlich Neues von der Eric-Front?«
Ich wurde still.
»So schlimm?«
»Es gibt nichts Neues zu berichten. Er meldet sich nicht mehr, zu Recht, und ich hatte auch noch nicht den Mumm. Außerdem war ich wegen einer Sache wirklich sehr sauer auf ihn.«
»Was für eine Sache?«, fragte Trine interessiert.
»Ach, eigentlich nichts Wichtiges«, antwortete ich beschämt und dachte an die Småland-Aktion.
»Wirf doch nicht gleich die Pfeife ins Feld. Ist doch alles zu regeln. Musst ihn nur anrufen.«
»Trine, es heißt Flinte. Und ins Korn!«
»Was?« Trine sah mich leicht verwirrt an.
Wie immer. Trine halt.
»Man wirft nicht gleich die Flinte ins Korn, nicht die Pfeife ins Feld.«
»Ach, ist doch sowieso ein blöder Spruch! Mach endlich weiter, darum geht’s doch!«
»Ja. Darum geht’s. Nur geht’s halt mal grad nicht weiter. Manchmal gibt’s auch Sackgassen. Da muss man erst wieder rausfinden.« Meine eigene Stimme klang seltsam fremd, irgendwie blass, farblos. Und traurig.
»So ein esoterischer Weichspülermist. Haste das von Mona? Nichts Sackgasse. Eher Überholspur. Und das bitte zügig, ja?«
Trine war ganz euphorisiert und steckte sich zwei Cantuccinis aus der Schale in den Mund, die ich vor ihr aufgestellt hatte.
Finn ließ nicht lange auf sich warten und schnappte sich mit einem Griff den kompletten Rest aus der Schüssel.
»Fi-hinn!«
Trine packte Finn am Arm, noch bevor er sich den ersten Keks in den Mund stecken konnte.
Ich war beeindruckt. Eine derartige Reaktionsschnelligkeit hatte ich ihr gar nicht zugetraut.
»Das ist nichts für dich. Die sind alle für die Mama«, sagte sie kauend. »Al-le!«
Pädagogisch war diese
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