Pinguinwetter: Roman (German Edition)
hast, musst du noch lange nicht zum Rundumschlag ausholen. Dass du mir mein Glück nicht gönnst, habe ich jetzt begriffen. Ich schlage vor, du gehst jetzt.«
Was?!? Wie kann Mona so etwas von mir denken? Ihr das Glück nicht gönnen? Das Gegenteil ist doch der Fall!
Mona stand wortlos auf und ging zur Tür.
Ich ging ihr nach und wollte sie in den Arm nehmen. »Mona …«
»Und ich halte es für das Beste, wenn wir uns eine Weile nicht sehen. Bis du zur Besinnung gekommen bist und weißt, was du willst. Du weißt ja nicht mal mehr, was richtig oder falsch ist.«
Ich spürte, wie mir jetzt auch Tränen in die Augen schossen. »Aber ich meinte es doch nur gut!«
»Ja, das sagst du immer. Aber denk mal darüber nach, was andere Leute fühlen. Du bist doch in deiner Seifenblase aus Selbstmitleid und Lethargie gefangen. Pass nur auf, dass sie nicht platzt. Der Aufprall auf den Boden der Realität kann ganz schön hart sein.«
Mit diesen Worten schob Mona mich zur Tür hinaus und schlug sie mir vor meiner Nase zu.
Ganz toll, Charlotte. Jetzt hast du es endgültig geschafft, alle zu vergraulen.
Als ich meine eigene Haustür aufschloss, piepte mein Handy. Es war eine SMS von Renate.
Jörn und ich werden hier in Scoresbysund heiraten. Schriftliche Einladung folgt. Renate
Ich schaffte es nicht einmal mehr, die Eingangstür hinter mir zu schließen, bevor ich lauthals zu schluchzen begann.
Die alte Frau Heimatlohs aus dem vierten Stock ging gerade schlürfend den langen Flur entlang und sah mich kopfschüttelnd an.
12. Kapitel
»Renate Sander?«
»Hmpf … Maaama! «
»Charlotte? Bist du es?«
»Hmpf!«
»Char-looo-tteee?«
Ich hatte innerhalb von Sekunden das Display meines Telefons geflutet, und die Tränenbäche liefen zwischen die Tasten, in den Hörer und am Telefon herunter über meinen Hals auf mein Oberteil.
Bis eben hatte ich noch versucht, mich zusammenzureißen, aber Renates lange nicht gehörte und doch so vertraute Stimme ließ sämtliche Staudämme brechen.
»Ist jemandem was passiert?«, fragte Renate.
Das war mal wieder typisch, dass sie vermutete, dass jemandem erst etwas passiert sein müsse, damit ihre Tochter sie anrief. Die Tatsache, dass ich mich vielleicht einfach nur ausheulen wollte, existierte in ihrem Vorstellungsvermögen irgendwie nicht.
Renate war nie die Gluckenmutter gewesen. Die Besorgnis in ihrer Stimme verriet jedoch, dass sie sich zumindest Gedanken machte.
Ich zog erst die tropfende Nase hoch und schnaufte dann noch mal provisorisch in meinen Blusenärmel.
»Du hast ja … Empfang!«
Dass ich meine Mutter erreicht hatte, grenzte schon fast an ein Wunder, denn der Handyempfang ließ in den Breitengraden, in denen sie sich in den letzten Jahren immer wieder befand, doch sehr zu wünschen übrig.
»Ja, ist das nicht einfach toll? Greenland Home Rule hat erlassen, dass jede Siedlung mit mehr als siebzig Einwohnern seinen eigenen Mast bekommt! Gott sei Dank sind wir nun mit mir einundsiebzig!«
»Wo bist du denn jetzt genau?«, fragte ich schniefend.
»In Siorapaluk!«
»Seniora… was?«
Renate hatte das unglaubliche Talent, sich immer nur an Orten aufzuhalten, die ich nicht aussprechen konnte.
»Das ist die nördlichste Siedlung der Welt!«, beantwortete sie meine Frage, noch bevor ich sie überhaupt zu Ende stellen konnte. »Von hier aus sind es nur noch knapp über tausend Kilometer bis zum Nordpol!« Renate brüllte regelrecht ins Telefon. Sie hatte sich irgendwann mal angewöhnt, jedes Handytelefonat schreienderweise zu führen, wie man es in den Achtzigerjahren bei Ferngesprächen ins Ausland machen musste. Wie so vieles war auch der aktuelle Stand der Telefontechnik spurlos an Renate vorbeigegangen.
»Ah … Wie geht’s dir? Ähm, ich meine euch, wie geht’s euch? Dir und … äh … Jörn?«, begann ich das Gespräch.
»Gut! Sehr gut! Jörn ist gerade mit den Männern auf Robbenjagd. Und heute Nachmittag werden wir meine erste eigene Schlittenhundfahrt machen. Jörn meint, ich sei jetzt so weit!«
Robbenjagd? Schlittenhundfahrt? Jörn meint, sie sei jetzt so weit? Ich verstand nur Bahnhof.
»Ich dachte, er sei Eisbrecherkapitän«, sagte ich verwundert.
»Ja, aber nur die eine Hälfte des Jahres. Die andere Hälfte gibt es zu wenig Eis, dafür aber mehr Robben. Ein ganz einträgliches Geschäft, Kind. Du wirst es kaum glauben, aber ich habe mir erst gestern die ersten drei eigenen Huskys gekauft. Für einen kleinen Pulka reicht es!«
Sie hat sich
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