Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
töricht und voreilig, denn zehn Minuten später kommt der bullige Sergeant zurück, dieser breitbeinige, grobknochige Todesengel, begleitet von zwei polnischen Bewachern:
    »Bible, pictures, blanket!« befiehlt der Vorbote der Exekution. »Mak snell!«
    »Nein! Nein!« heult Müller-Malbach mit kippender Stimme. »Ich doch nicht. Nein, doch nicht heute – ich bin …«
    »Don't make any troubles!« fährt ihn der Uniformierte an. »God damned Kraut.« Er gibt den beiden Polen einen Wink.
    Sie fassen den Brüllenden unter und schaffen ihn aus der Zelle, zerren ihn über den Gang wie ein Tier zum Schlachthof, das auch dann nicht überleben wird, wenn es ihm gelingt, sich loszureißen.
    In diesem Moment biegt Captain Gambler um die Ecke, bleibt stehen und verfolgt die Szene mit angehobenen Mundecken: »Just a moment«, sagt er zu dem Sergeant und tritt an den Mann mit der Rotjacke heran. »Sie kenn' ich doch irgendwoher«, sagt er zu dem Deutschen. »Wie heißen Sie?«
    Einen Moment lang läßt der Angesprochene den sinnlosen Widerstand sein und betrachtet den US-Offizier verständnislos.
    Der junge Captain tippt sich an die Stirn: »Bad Aussee, stimmt's? Sind Sie nicht dieser Sturmbannführer …«
    »Mül – Müller – Mal – bach –«, skandiert der Todeskandidat.
    »Also, Sie sind das«, erwidert der Offizier, während die Schwarzuniformierten den Delinquenten wie im Schraubstock festhalten. »Sehen Sie, Captain Steel hat Wort gehalten: Sie wurden nicht nach Polen ausgeliefert.«
    »Aber jetzt – hier – morgen …«
    Einer der Wächter will ihm die Hand auf den Mund pressen, der Häftling beißt zu. Der Pole flucht und tritt ihn ins Gesäß. »Können wir nicht – ich – ich meine …«, stöhnt Müller-Malbach.
    »Was meinen Sie?« entgegnet der Captain und gibt den Wächtern einen Wink, den Häftling loszulassen.
    »Können Sie nicht – würden Sie nicht – nicht – für mich – jetzt …«
    »… etwas tun?« ergänzt der Captain. »Für Sie kann keiner mehr etwas tun.« Er dreht sich um, geht langsam weiter.
    »Nein! Nein!«, keucht Müller-Malbach. »Ich könnte – bitte, hören Sie mir doch zu! Es ist ganz wichtig für Sie …«
    »Was könnten Sie?« Der Offizier dreht sich noch einmal nach ihm um.
    »… Ihnen Dinge sagen …«
    »… die Sie Captain Steel und mir damals verschwiegen haben?«
    »Ja. Und es ist ganz wichtig – Sie machen einen großen Fehler, wenn Sie …«
    »That's all about it«, sagt Gambler wie entschlossen, sich nicht länger aufhalten zu lassen.
    »Es geht um die falschen Dollars …« Der Mann in der Rotjacke zieht die Notbremse – aber der junge Offizier ist jetzt offensichtlich unansprechbar.
    Während die Uniformierten den Ex-Sturmbannführer in den Keller zerren, verzehrt Schibalsky sein Abendessen mit großem Appetit. Er ist durch und durch zufrieden. Nach längerer Pause konnte er den Amerikanern seine Unersetzlichkeit beweisen und dabei noch seine abseitige Neigung befriedigen: Menschen zu quälen. Schibalsky malt sich genüßlich aus, wie der Weichmann im Wartezimmer des Todes um den Pfarrer herumschleicht. Schibalsky ist zu primitiv und zu dumm, um darüber nachzudenken, daß ein Mann wie Steel zwar sein Wort hält, aber trotzdem einen Weg finden wird, ein Scheusal wie ihn nicht ungestraft entkommen zu lassen. Wenn Schibalsky seine Rolle als Gruftspion ausgespielt hat und seine Mithäftlinge – wie auch immer – erfahren werden, daß er ein besonders niederträchtiger und erfolgreicher Spitzel der Amerikaner war, werden sie sicher für die olivgrünen Sieger die Dreckarbeit übernehmen.
    Der Priester in Schwarz ist nicht da. Auch die Musiker fehlen. Es kommt auch kein zweiter Todeskandidat in den Keller. Irgend etwas stimmt nicht; aber das begreift Müller-Malbach nicht. Der Strick um den Hals droht ihn schon jetzt zu ersticken, er faßt sich mit beiden Händen an den Nacken, als könnte er das Strangulieren abwehren.
    Schritte. Müller-Malbach fährt entsetzt hoch. Jetzt schon? Ist doch noch viel zu früh! Seine Henkersmahlzeit? Dabei ist ihm speiübel, er brächte keinen Bissen hinunter.
    Aber nicht die Gehilfen des Scharfrichters holen ihn ab, sondern dieser Captain, der mit ihm nichts mehr zu tun haben will. Erleichterung überflutet sein eingefallenes Gesicht.
    »Der Direktor hat mir erlaubt, mit Ihnen zu sprechen«, sagt Gambler und sieht demonstrativ auf die Armbanduhr. »Aber ich habe nicht viel Zeit, ich muß dringend

Weitere Kostenlose Bücher