Pink Christmas (German Edition)
wärmend in meiner Brust aus. Ich nahm einen weiteren Schluck, bevor ich den Becher wieder herunternahm und ihn dabei fest umklammerte, um meine kalten Hände zu wärmen. Der Kerl hinter dem Tresen starrte mich noch immer an.
„Allein hier?“, fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste nicht, was ich einem Fremden erzählen sollte. Meine Lebensgeschichte stand nicht zur Debatte. Ich stand lediglich auf einem Weihnachtsmarkt und nicht in irgendeiner Eckkneipe, in der ich mich beim Kneipenwirt ausheulte. Der schwarzhaarige Kerl wischte seine Hände an der Schürze ab und beugte sich zu seinem älteren Kollegen, der am selben Stand Waffeln verkaufte. Ich beobachtete ihn und sah, wie er sich eine Weste überwarf, sich dann eine Tasse mit Glühwein füllte und anschließend aus der hölzernen Bude nach draußen kam. Wie selbstverständlich stellte er sich neben mich und hob seine Tasse, als wollte er anstoßen. Missmutig schielte ich über meinen Becherrand. Ich hatte keine Ahnung, was der Kerl von mir wollte.
„Bist du öfter hier?“, fragte er.
Ich öffnete meinen Mund, um zu antworten, schloss ihn aber wieder, als mir klar wurde, dass der Kerl auf mich stand. Seine Fragen waren der Versuch einer Anmache, sein Blick ein prüfender, um mich besser einzuschätzen. Mit dieser Erkenntnis sah plötzlich alles ganz anders aus. Hinzu kam der Alkohol, der mich – weil ich nur selten trank – zunehmend benommener machte. Der Kerl sah nicht schlecht aus. Warum sollte ich mich nicht auf ihn einlassen? Ich schätzte ihn etwas älter als mich, schätzte aber auch, dass er nur auf Sex aus war. Ich kannte diese Sorte Typen und kannte derartige Flirts.
„Eigentlich nicht“, antwortete ich. „Und du? Arbeitest du immer hier?“
„Nein, aber ich helfe meinem Vater ab und zu aus. Ganz freiwillig.“
„Du kriegst kein Geld dafür?“ Meine Skepsis war kaum zu überhören.
„Doch. Manchmal schon.“
Ich nickte. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Dann nahm ich einen weiteren Schluck vom lauwarmen Glühwein und sah dem Fremden anschließend fest in die Augen. Dieses Mal war mein Blick der prüfende. Ich wollte herausfinden, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag.
„Ich bin übrigens Ferris“, stellte er sich vor und reichte mir die Hand.
Ich versuchte ein Lächeln und nahm sie an. Sie war ganz warm, sogar etwas schwitzig.
„Flo“, gab ich knapp zurück.
Unsere Blicke hafteten aneinander, und genau das war der entscheidende Moment, unsere Hände noch ineinander verschlungen, in dem mir klar wurde, dass der Kerl tatsächlich auf mich abfuhr. Normalerweise war ich nicht der Typ für triviale Bettgeschichten, doch an diesem ohnehin miserablen Dezembertag hatte ich nichts dagegen. Im Gegenteil. Der Gedanke an Sex mit einem Fremden machte mich an.
Keiner von uns ließ vom anderen ab. Ich hatte das Gefühl, eine halbe Ewigkeit wortlos dazustehen. Irgendwann lockerte ich dann meine Hand und wollte gerade ein Date für den späteren Abend ausmachen, als ich plötzlich eine vertraute Stimme hinter mir vernahm. Reflexartig riss ich meine Hand aus der von Ferris und wandte mich um. Ein Paar strenger, brauner Augen fixierte mich.
„Na, lässt du deiner Perversion jetzt freien Lauf?“, fragte Julian. Seine Augenbraue schnellte dabei in die Höhe. Anmaßend sah er auf mich herab, hinter ihm zwei Kerle, die ich nicht kannte. Offenbar waren sie Freunden von außerhalb der Uni.
Ich tauschte einen flüchtigen Blick mit Ferris. Er stellte mir wortlose Fragen. Doch ich war zu überfordert für eine Erklärung. Ich drehte mich zurück zu Julian, starrte ihn an und schüttelte kaum merklich den Kopf. Ich konnte nicht glauben, wie er sich aufspielte. Nicht, nachdem wir einst gute Freunde gewesen waren.
„Bist du so notgeil, dass du dir gleich den nächsten suchst?“, fragte Julian weiter und sprach dabei so laut, dass sich ein paar vereinzelte Weihnachtsmarktbesucher zu uns umdrehten. Doch obwohl Julians Worte mich verletzten und sein Verhalten mich ärgerte, spürte ich, dass eine Spur von Eifersucht in seinen Worten mitschwang. Eine Nuance. Aber genug, um von mir erkannt zu werden.
„Ich lass euch lieber mal allein …“, hörte ich Ferris hinter mir.
Ich nickte knapp. Nur beiläufig nahm ich wahr, wie er in die Glühweinbude zurückkehrte und neue Kunden zu bedienen begann. Ich fühlte mich unwohl. Julians Kumpanen musterten mich abfällig. Ich wurde nervös. Ich wollte nicht, dass die halbe
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