Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
geblieben«, erinnerte sich Palinski gerade. »Er hat das fast so oft verwendet wie die Alemannen dieses urige ›odr‹. Nicht ganz so häufig, aber fast.« Jetzt holte er drei der Seiten heraus, die ihm der designierte Minister gestern Abend gegeben hatte. »Und genau dieses französische ›oder‹ findet sich hier ein paarmal wieder. Dazu gibt es eine ziemlich genaue Darstellung des Tatherganges, wenn man die Umschreibungen richtig interpretiert.« Er reichte Wallner die drei Seiten.
Der Chefinspektor überprüfte die Postings, überlegte ein, zwei Minuten und begann dann mit seinem Resümee. »Du meinst also, Frau Bender-Nicerec findet heraus, was da an ihr vorbei in ihrer Familie gelaufen ist, möglicherweise auch die Konsequenz?«, er deutete einen gewölbten Bauch an. »Dann stellt sie ihren Mann zur Rede, wird handgreiflich, will ihm, wenn man das Posting von ›Mamainspe‹ so verstehen will, möglicherweise sogar den … Penis abschneiden. Daraufhin schlägt ›Big Daddy‹ zu, bis sie bewusstlos ist. Und die ›Mamainspe‹ rammt ihrer Mama von hinten ein Brotmesser ins Herz. Und damit Ende.«
Er blickte zum Fenster, nickte mit dem Kopf und erwiderte dann: »Sehr gut, klingt sehr plausibel. Eine reife Leistung, Mario.«
Nun liebte Palinski wenig mehr als Lob. Das Zeug rann ihm immer hinunter wie wilder Berghonig und war durchaus geeignet, ihn süchtig zu machen. Aber dennoch musste es heißen ›Ehre, wem Ehre gebührt‹. »Danke, aber diese Anerkennung verdient vor allem der aufmerksamste Innenminister, den unser Land je hatte.« Er griff sich Mikis Hand und schüttelte sie theatralisch. »Unser lieber Dr. Michael Schneckenburger. Wenn ich gleich auf ihn gehört hätte, hätten wir den Fall vielleicht schon einen Tag früher gelöst.«
»Vorausgesetzt natürlich, dass deine Schlussfolgerungen auch zutreffen«, ergänzte der Designierte. Aber daran zweifelte eigentlich niemand ernsthaft.
*
Franka Wallner, die im Gegensatz zu ihrem Helmut nicht an der Nachtschicht im Institut für Krimiliteranalogie teilgenommen hatte, saß pünktlich um 8 Uhr einigermaßen ausgeschlafen an ihrem Schreibtisch.
Ihr gegenüber saß Marika Sanders, die als Tatverdächtige im Falle Wilhelm Sanders einvernommen werden sollte. Der hübschen, selbstsicheren 21-jährigen Frau sah man die eine, nein, die erste Nacht im Häfen an. Und die war selbst in einem relativ zivilen sicher mit eine der schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch machen konnte, sah man einmal von lebensbedrohenden Vorkommnissen ab.
Ihr sonst so luftig locker fallendes Haar war fett und strähnig, der Teint grau, und sie wirkte um gut zehn Jahre älter. Offenbar hatte sie auch nur wenig geschlafen, die Ringe unter ihren Augen waren nicht zu übersehen.
Die Oberinspektorin, die ja kein Unmensch war, hatte Marika zunächst mit einem Kaffee und einem Buttersemmerl versorgt, einerseits, um ihr eigenes Bedürfnis nach Menschlichkeit zu befriedigen, andererseits aber auch, um die bevorstehende Einvernahme durch diese vertrauensbildende Maßnahme positiv zu stimulieren und damit zu erleichtern.
»Also gut, Frau Sanders«, Franka drückte den Startknopf des kleinen Aufnahmegerätes, »dann wollen wir einmal anfangen. Nennen Sie uns bitte als Erstes fürs Protokoll Ihren Namen und die sonstigen Angaben zu Ihrer Person.« Sie nickte der jungen Frau ermunternd zu.
»Können Sie mich bitte Marika nennen«, meinte die Sanders kleinlaut, nachdem sie Namen, Adresse und Geburtsdatum genannt hatte. »Das Frau Sanders kommt mir so komisch vor.«
Auch gut, dachte die Oberinspektorin, das war offenbar der Versuch der Verdächtigen, eine vertrauensbildende Maßnahme zu setzen.
»Fein, dann werde ich Sie Marika nennen«, stimmte sie zu. »Und jetzt erzählen Sie einmal, wie sich das Ganze an diesem Abend abgespielt hat?«
An diesem Tag schien Marika entschlossen, sich der Wahrheit wesentlich mehr anzunähern als bei ihren bisherigen Aussagen.
Vor einigen Monaten hatte sie Gabriel Fuarsi kennengelernt. Der in Kairo geborene Kopte war als Vierjähriger von einem österreichischen Paar adoptiert worden. Nach Erreichen der Volljährigkeit hatte er seinen ursprünglichen Nachnamen wieder angenommen, da ihm Gabriel Navratil nie gefallen hatte. Mit knapp 400.000 Schilling, dem Erbe von seinen bei einem Autounfall tödlich verunglückten Eltern, hatte er sein erstes Pizzakönig-Lokal auf die Beine gestellt.
Marika hatte seit einigen Jahren öfters einmal Pizza für
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