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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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volkspolizeiliche Ermittlung Monate, manchmal auch Jahre in Anspruch nehmen kann. Zeit, die wir nicht haben. Ich weise noch einmal auf Ihre Rolle als Geheimnisträger hin, bevor ich Ihnen sage, dass wir staatshaushaltlich dringend auf die Neuordnung der Energieverträge und die damit verbundenen Liquiditätsmittel angewiesen sind. Dringender, als Sie denken. Sollten wir auf die damit verbundenen Devisen verzichten müssen, drohen uns tiefgreifende Veränderungen.«
    Wegener nickte. Die Männer in den dunklen Anzügen senkten ihre Blicke. Kallweit studierte die Maserung der Tischplatte. Borgs starrte nach Kuba. Die Projektoren schalteten sich ab.
    »Die Staatssicherheit, die sich hier einer absurden Verdächtigung ausgesetzt sieht, kann unter diesen Umständen naturgemäß nicht selbst ermitteln. Das würde die BRD nicht akzeptieren. Bedauerlicherweise müssen sich die Elitebeamten unseres Landes also darauf verlassen, dass ihre Unschuld von anderen bewiesen wird. Der Staatsratsvorsitzende und der Minister für Staatssicherheit haben dem Bundeskanzler deshalb einen unkonventionellen Kompromiss vorgeschlagen.« Steinkühler sah für einen Moment selbst ein wenig ungläubig aus. »Dieser Kompromiss ist gleichzeitig ein eindrucksvolles Bekenntnis zur Staatssicherheit. Westdeutsche Polizeibeamte werden die Ermittlungen im Fall Hoffmann begleiten. Um die Unabhängigkeit und Objektivität des Aufklärungsprozesses sowie einen umfassenden Gedankenaustausch mit der Regierung Lafontaine zu gewährleisten.«
    »Begleiten oder leiten?«, fragte Wegener ins Mikrofon.
    Münzer grinste.
    »Es geht im Moment vor allem um Kooperation. Zuständigkeitsfragen sind kein vorrangiges Anliegen.« Steinkühler zündete sich eine neue Zigarette an. »Heute Morgen hat das Bundeskanzleramt das Büro des Staatsratsvorsitzenden darüber informiert, dass man diesem Vorschlag zustimmt. Allerdings verbunden mit der Ankündigung, dass sämtliche bislang getroffenen Vereinbarungen zwischen BRD und DDR als null und nichtig betrachtet werden, falls die Ermittlungsergebnisse eine Verwicklung der Staatssicherheit in die Causa Hoffmann nahelegen sollten. Im Klartext heißt das: die Konsultationen stehen auf dem Spiel.«
    »Mit anderen Worten«, sagte Münzer, »die wirtschaftliche Zukunft des Landes hängt davon ab, dass Hoffmanns wahre Mörder gefunden werden. Das hätten Sie nicht erwartet, was, Wegener?«
    »Ich staune noch immer über den Kompromiss«, sagte Wegener. »Eine ost-west-deutsche Ermittlung. Einfach so.«
    »Lafontaine besitzt kein Interesse daran, die Konsultationen scheitern zu lassen. Vor der Wahl hat er seinen Wirtschaftsführern Energiesicherheit und Preisstabilität versprochen. Ohne die Aussicht auf den Abschluss von Lieferverträgen mit der DDR hätte er die Wahl wahrscheinlich gar nicht gewonnen.« Steinkühler rieb immer noch an seiner Brille herum. »Und was unsere Seite angeht, Genosse Hauptmann, und das sage ich Ihnen jetzt als stellvertretender Leiter des Inlandsgeheimdienstes der DDR, also quasi als Zeuge in Ihrem Fal l …«
    Lautes Murmelgelächter der Anzugträger.
    » … in unserem Haus gibt es keinen Vorgang Hoffmann, keine Operation Hoffmann, nicht mal einen Überwachungsbeschluss. Sonst würden wir unsere wirtschaftliche Zukunft auch nicht von einem polizeilichen Ermittlungsverfahren abhängig machen.«
    »Anders gesagt«, Münzer fummelte an seinem Mikrofon herum, »bereits der Kompromiss beweist unsere Unschuld. Wir würden einen Handelsvertrag mit einem Volumen von mehr als 7 0 Milliarden Mark gewiss nicht vom Ergebnis einer Kriminaluntersuchung abhängig machen, wenn wir das Ergebnis nicht schon kennen würden.«
    »Die Ermittlungen werden klarstellen, dass die Staatssicherheit mit dieser Sache nichts zu tun hat«, sagte Steinkühler. »Das ist eine gute Gelegenheit, dem Restkapitalismus einmal öffentlichkeitswirksam zu verdeutlichen, dass es bei uns rechtsstaatlicher zugeht als da drüben. Und die Energieverträge behalten ihre Gültigkeit. Dieses Ziel gilt es vollinhaltlich zu verwirklichen.«
    Niemand sagte etwas.
    Kallweit blickte mit seinem tieftraurigen Gesicht in die Runde. Die fleischige Unterlippe hing noch ein bisschen tiefer als sonst. Seine dunklen Augenringe wirkten wie geschminkt. »Fragen Sie mal, wie Sie uns helfen können, Wegener.«
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Wir haben seit heute Morgen einen Namen vom Kanzleramt«, grunzte Kallweit, sichtlich froh, jetzt auch mal aus den Lautsprechern

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