Plan D
sah Wegener an. »Das wird nirgendwo schriftlich festgehalten, das wird nicht mündlich erwähnt, niemandem gegenüber, das wird nicht mal angedeutet!«
»Wie Sie wollen.«
»Hatte Borgs inzwischen Kontakt zum Energieministerium?«
Frankenstein sah auf die Uhr. »Ist gerade da.«
»Wir haben noch knapp dreizehn Minuten«, sagte Kayser. »Ich stelle mal vor, was mein Dienst geliefert hat.«
Kallweit nickte so resigniert, als würden ihm jetzt seine privaten Abhörprotokolle vorgelesen.
Kayser klappte eine Ledermappe auf, in der sich Faxe und Computerausdrucke stapelten. »Um mal mit dem anzufangen, was wir ausklammern können: Es gibt, jetzt kommt ein bisschen Bürokraten-Jargon, keine glaubwürdigen Hinweise darauf, dass Interessenorganisationen oder Spezialkräfte ölfördernder Länder beziehungsweise anderer energierelevanter Staaten augenblicklich Operationen durchführen, die mit unserem Fall in Verbindung stehen könnten. Und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen sind die Gasmengen, die momentan über die DDR nach Westeuropa transportiert werden, letzten Endes noch vergleichsweise gering. Zum anderen würde man nicht so konfus vorgehen.«
»Sie meinen, man würde nicht Hoffmann ermorden, um die Konsultationen zu beschädigen«, sagte Wegener.
»Man würde vor allem nicht mit Fotos der Leiche und dubiosen Zeugenaussagen an die Presse gehen. Der Weg ist immer, Öffentlichkeit mit allen Mitteln zu vermeiden, und nie, sie offensiv zu suchen.«
»Was würde, sagen wir, ein einflussreicher Ölstaat dann unternehmen? Wenn er die Konsultationen verhindern will?«, fragte Kallweit.
»Politischer Druck, Bestechung, Erpressung, Korruption«, sagte Kayser. »Sicher im Einzelfall auch Körperverletzung oder Mord, aber nicht inszeniert und publiziert.«
»Also fallen sämtliche halbgaren Verschwörungstheorien unter den Tisch. Das ist ja schon mal was.«
»Zumindest fast alle. Wir haben vom BKA einen Hinweis auf Greentec bekommen. Die sind in den letzten Jahren unangenehm aufgefallen.«
Kallweits Gesicht war ein hängendes Fragezeichen.
»Greentec ist ein Konsortium alternativer westeuropäischer Energiekonzerne«, sagte Brendel. »In Westdeutschland Marktführer und weltweit irgendwo in den Top Ten. Solarzellen, Windräder, Wasserkraft.«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst!« Kallweit spuckte eine zweite Salve auf die Volkswacht. »Ein westdeutscher Solarzellenhersteller, der in der Deutschen Demokratischen Republik Menschen an Gasleitungen erhängt! Wenn ich das heute Abend dem Generalsekretär als Hauptlinie vorlege, können wir uns gleich daneben hängen!«
»Bleiben wir mal bei den Fakten«, sagte Kayser. »Einer der Hauptanteilseigener von Greentec ist ein Investor aus München, der vom Verfassungsschutz als Strohmann der albanischen Mafia eingestuft wird. Hinter dem Unternehmen stehen also Geldgeber, die es gewohnt sind, ihre wirtschaftlichen Ziele mit illegalen Mitteln durchzusetzen.«
»Und?«, fragte Kallweit.
»Wenn die neuen Transitverträge zustande kommen, wird Westeuropa für zwanzig Jahre mit billigem Gas überschwemmt, dann kauft kein Schwein mehr Erdwärmeheizungen und Solardächer. Gleichzeitig hat Lafontaine angekündigt, die Subventionen zu kürzen. Es geht also, wenn man das auf zwei Jahrzehnte rechnet, um Milliarden.«
»Aber warum ausgerechnet Albert Hoffmann?«
Kayser gab sich Mühe, geduldig zu klingen. »Wenn die es wirklich so aussehen lassen wollen, als ob die Staatssicherheit jemanden umbringt, dann müssen sie auch ein Opfer wählen, bei dem das Sinn macht. Und da ist Albert Hoffmann ja wohl ein Volltreffer. Politischer Kopf, Westdeutscher, einflussreich während der Wiederbelebung.«
Hinter Kallweits Stirn knirschte es. Die Maschinerie war angesprungen. Kleine Räder setzten sich in Bewegung, drehten sich zentimeterweise, trieben größere Räder an, Rost bröckelte, Dampf trat aus, heiße Luft, dachte Wegener, die sich langsam ihren Weg durch die zahlreichen Hohlräume suchte, vorbei an verkalkten Leitungen, an verstopften Rohren, während die Apparatur ächzend Fragen und Schlüsse produzierte, wieder einstampfte, noch mal neu zusammensetzte, bis das ganze Geblubber schließlich mit der üblichen Verspätung durch die Mundhöhle entwich.
»Gut, wir haben dieses Greentec. Ein etwas abenteuerlicher Verdacht«, stellte Kallweit fest. »Ansonsten wissen wir, dass sich Hoffmann ins Regierungsquartier eingeschleust hat, aber wir wissen nicht, warum. Dafür haben wir nicht mal den
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