Platon in Bagdad
zur Gründung von Kreuzfahrerstaaten in Edessa, Antiochia und Jerusalem, die eine wichtige Rolle bei der Öffnung der islamischen Kultur für das Abendland spielten. Zu den frühesten Beispielen dieses kulturübergreifenden Kontakts gehören die Arbeiten des Stephanus von Antiochien, eines Übersetzers, der in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts tätig war. Wie Matthias von Ferrara berichtet, stammte Stephanus aus Pisa und begab sich nach Syrien, vermutlich in die pisanische Ansiedlung in Antiochia, wo sein Onkel als römischkatholischer Patriarch residierte.
In Antiochien lernte Stephanus Arabisch und übersetzte al-Magusis medizinisches Werk
Kitab al-Maliki
unter dem Titel
Regalis dispositio
ins Lateinische, das er 1127 fertigstellte. Als Beweggrund für die Neuübersetzung gab Stephanus an, er habe die frühere Übertragung durch Konstantin den Afrikaner für unvollständig und ungenau befunden. Dem zweiten Teil dieser Abhandlung fügte er – zum besseren Verständnis der arabischen Begriffe in Dioskurides’ Schrift
De materia medica
– einen Prolog hinzu, eine dreispaltige Liste von Fachbegriffen auf Arabisch, Lateinisch und Griechisch
.
Dort heißt es auch, der Leser könne bei Schwierigkeiten mit den lateinischen Begriffen Experten heranziehen, »denn in Sizilien und Salerno, wo Studenten dieser Fächer vor allem zu finden sind, gibtes sowohl Griechen als auch Männer, die des Arabischen mächtig sind«.
Stephanus zufolge war die
Regalis dispositio
sein erstes Werk und er hoffte, einen Teil »aller Geheimnisse der Philosophie, die in der arabischen Sprache verborgen sind«, zu übersetzen. Dies führte zu der Annahme, dass er möglicherweise mit Stephanus Philosophus identisch ist, der auf der Grundlage arabischer und griechischer Quellen verschiedene Werke zur Astronomie verfasste.
Adelard von Bath (um 1080 – 1152) war eine Schlüsselfigur in der europäischen Aneignung der arabischen Wissenschaft. In der Einleitung zu den
Quaestiones naturales
, die er an seinen Neffen richtete, berichtet Adelard, er sei »des Studiums wegen lange fern der Heimat« gewesen, zuerst in Frankreich, wo er in Tours studierte und in Laon unterrichtete. Dann ging er nach Salerno, nach Sizilien, Kleinasien, Syrien und vermutlich Palästina und Al-Andalus. Arabisch lernte Adelard offenbar bei letzterem Aufenthalt, denn die Übersetzung von al-Chwarizmis
Sindhind
fertigte er von der bearbeiteten Fassung des andalusischen Astronomen Maslama al-Majriti an. Adelards Übersetzung, die 37 einführende Kapitel und 116 Listeneinträge von Himmelsdaten umfasste, eröffnete dem christlichen Europa den Zugang zum Wissen der griechisch-arabisch-indischen Astronomie und Mathematik. Darunter befanden sich die ersten auf Latein veröffentlichten Tafeln der trigonometrischen Sinusfunktion.
Von Adelard stammt auch die erste vollständige Übersetzung der
Elemente
des Euklid ins Lateinische, die unter anderem dazu beitrug, dass Euklids Lehrsätze die europäische Mathematik des Mittelalters prägten. Insgesamt fertigte er drei Fassungen der
Elemente
an, die erste von der arabischen Version des al-Hadschadsch, der sie wiederum für den Kalifen Harun ar-Raschid aus dem Griechischen übersetzt hatte. Die zweite war eine gekürzte Version, die Adelard
Commentum
nannte. Darin machte er, neben anderen Ausführungen, auch »Aussagen« (Erklärungen) über die Definitionen, Postulate,Axiome und Propositionen im Buch I der
Elemente
. Die dritte Fassung, von Roger Bacon als
editio specialis
bezeichnet, enthält zusätzliche
commenta
, neben vollständigen Beweisen für alle aufgestellten Behauptungen.
Campanus von Novara überarbeitete Adelards zweite Fassung und erstellte eine Übersetzung der
Elemente
, die als die beste Übersetzung vom Arabischen ins Lateinische gilt; von dieser ist noch ein Exemplar von 1259 erhalten. Diese und die erste 1505 von Bartolomeo Zamberti angefertigte Übersetzung der
Elemente
vom Griechischen ins Lateinische bildeten die Grundlage für die meisten nachfolgenden Fassungen, darunter Übersetzungen in die Volkssprachen Europas. Die erste englischsprachige Einführung in die
Elemente
findet sich in
The Pathway to Knowledge
(Der Weg zum Wissen) von Robert Recorde, das 1551 in London veröffentlicht wurde. Recorde wusste sehr gut, dass Euklids Lehrsätze die mathematischen Fähigkeiten der »einfachen unwissenden« Menschen, die das Buch lasen, übersteigen mussten: »Denn es gibt es keinen fremdartigeren Gegenstand in
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