Ploetzlich blond
Öffentlichkeit nicht über den Eingriff zu sprechen. Ganz im Gegenteil. Die meisten …«
»Empfänger? Heißt das, Sie haben so was schon öfter gemacht?«
»Oh ja.« Dr. Holcombe nickte. »Mein Team und ich haben mit dieser Form der Transplantation bereits große Erfahrung. Wir führen sie nun schon seit einigen Jahren durch. Allerdings ist das Verfahren extrem kostspielig und dadurch immer noch relativ selten. Die Verletzungen, mit denen du bei uns eingeliefert wurdest, wären unter normalen Umständen tödlich für dich gewesen. Es war pures Glück, dass genau in dem Moment, in dem dein Herz zu schlagen aufhörte, eine funktionsfähige Ganzkörperspenderin zur Verfügung stand.«
»Eine funktionsfähige Ganzkörperspenderin?«, wiederholte ich erschüttert. »Sie meinen … Nikki Howard? Ich fasse es nicht, dass Sie so über sie reden. Ich meine … Nikki war … sie war ein Mensch.«
»Darüber ist Dr. Holcombe sich natürlich im Klaren, Em«, warf meine Mutter hastig ein. Sie und mein Vater saßen vor Dr. Holcombes Schreibtisch auf Ledersesseln, während ich zwischen Dr. Higgins und einem gewissen Mr Phillips, der mir als juristischer Berater der Firma Stark Enterprises vorgestellt worden war, auf einem Sofa saß.
Auf meine Frage: »Was hat Stark Enterprises mit dem Ganzen zu tun?«, hatte Mr Phillips geantwortet: »Du befindest dich hier im Stark Institute für Neurochirurgie am Manhattan General Hospital, zu dessen Hauptgeldgebern die Firma Stark Enterprises gehört. Dies ist weltweit die einzige Klinik, in der Ganzkörpertransplantationen durchgeführt werden. Stark Enterprises spricht in der Öffentlichkeit nicht über die Existenz des Instituts – oder besser gesagt über die Verbindun gen des Unternehmens zu diesem Institut, denn gegen dieses Verfahren bestehen nach wie vor einige … ähem … bioethische Bedenken.«
»Sie meinen, weil ein anderer Mensch erst mal für hirntot erklärt werden muss«, sagte ich, »bevor man sich seinen Körper unter den Nagel reißen und das Empfängergehirn einpflanzen kann?«
»Nun, ähem«, entgegnete Mr Phillips, »das ist natürlich eine grobe Vereinfachung des Sachverhalts, aber … ja. Im Großen und Ganzen trifft es das.«
»Du musst wissen, Emerson«, sagte Dr. Higgins freundlich, »dass Nikki Howard an einer sehr seltenen angeborenen Missbildung litt, von der niemand – nicht einmal Nikki selbst – etwas ahnte. Sie hatte ein Aneurysma. Eine Schwachstelle in einem Blutgefäss in ihrem Gehirn, das jederzeit platzen konnte. In ihrem Kopf saß sozusagen eine tickende Zeitbombe, die zufälligerweise genau in dem Augenblick explodierte, in dem du tödlich verletzt wurdest. Dadurch, dass so viel medizinisches Personal zur Stelle war – die Geschäftsleitung des Stark Megastores hatte vorsorglich einen Kranken wagen und ein Team von Sanitätern und Notärzten angefordert, falls es während der Eröffnungsfeier zu gewalttätigen Protesten kommen sollte –, konnten Nikki Howard und du medizinisch so gut versorgt werden, dass ihr beide noch am Leben wart, als ihr in die Klinik eingeliefert wurdet. Allerdings mussten wir hier schnell erkennen, dass keine von euch beiden eine Überlebenschance hatte … jedenfalls nicht unabhängig voneinander.«
»Das stimmt«, bestätigte mein Vater, dessen Augen mir merkwürdig hell vorkamen. Erschüttert merkte ich, dass sie so hell waren, weil Tränen darin glitzerten. Ich hatte meinen Vater noch nie weinen gesehen. »Als deine Mutter und ich ins Krankenhaus kamen, warst du an lebenserhaltende Geräte angeschlossen, und die Ärzte haben uns gesagt, wir sollen uns von dir verabschieden.«
»Aber dann«, erzählte meine Mutter, deren Augen ebenfalls glänzten, »kam Dr. Holcombe und untersuchte dich. Er sagte, es gäbe eine Möglichkeit, dir das Leben zu retten. Ein Eingriff, der allerdings mit einem extrem hohen Risiko verbunden sei … und dass mit Komplikationen zu rechnen wäre.«
»Welche Art von Komplikation meinte er damit?«, fragte ich sarkastisch. »Etwa dass es sein könnte, dass ich in einem fremden Körper aufwache?«
Meine Mutter seufzte. »Es stimmt zwar, dass du nicht mehr … du selbst bist, Em. Aber das ist doch nur äußerlich. Im Inneren bist du immer noch die Alte. Deswegen hielten Dr. Holcombe und sein Team es für besser, dir nicht sofort zu sagen, was passiert war. Du hattest schon so viel durchgemacht. Du brauchtest Zeit … Zeit, um dich einzugewöhnen …«
»Oh Gott.« Ich schlug die Hände
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