Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
Immer wieder hob er die Nase in den Wind, um Witterung aufzunehmen. Nach einem letzten prüfenden Blick auf den schäumenden Fluss der Träume folgte ich ihm.
Eine ganze Weile liefen wir am Fluss entlang und suchten nach Spuren, nach jedem noch so kleinen Hinweis auf Puck oder Ariella. Der Wolf trabte unermüdlich weiter, manchmal mit der Nase am Boden, manchmal in der Luft. Derweil suchte ich am Ufer nach Fußspuren, geknickten Zweigen, umgedrehten Steinen, irgendwelchen Lebenszeichen.
Schließlich erregte etwas im seichten Wasser meine Aufmerksamkeit. Zwischen zwei Felsen hatte sich ein geborstener Holzbalken verfangen. Es war ein Überrest unseres Floßes, der nun träge im Wasser trieb. Die Wucht des Wassers hatte ihn fast bis zur Unkenntlichkeit zerschmettert. Einen Moment lang starrte ich blicklos auf den Balken und weigerte mich zu akzeptieren, was das bedeuten konnte, dann wandte ich mich ab und setzte meine Suche fort.
Der Wolf, der ein Stück vorausgelaufen war, blieb abrupt stehen. Sein Kopf senkte sich, er schnüffelte auf den Felsen und im Matsch herum, richtete sich ruckartig auf und fletschte knurrend die Zähne.
Hastig lief ich zu ihm. »Hast du sie gefunden?«
»Nein. Aber vor Kurzem haben sich hier jede Menge Lebewesen herumgetrieben. Kleine Dinger, unangenehmer Geruch. Schleimig. Und irgendwie reptilienartig.«
Sofort dachte ich an die bleichen Molchwesen, die uns vom Ufer aus beschossen hatten, und an den Schamanen, der die Albträume aus dem Fluss heraufbeschworen hatte, um unser Floß zu zerstören. »Was sind das für Wesen?«
Der Wolf schüttelte angewidert das pelzige Haupt. »Hobjas.«
»Hobjas«, wiederholte ich nachdenklich, als mir die Geschichte dieser kleinen, unangenehmen Feen wieder einfiel. »Die Hobjas sind ausgestorben. Oder zumindest erzählt man es sich so.« Hobjas ähnelten Kobolden und Dunkerwichteln: Auch sie waren aggressive, Furcht einflößende Kreaturen, die tief im Wald lebten und die Menschen terrorisierten. Doch angeblich hatte das Volk der Hobjas nur aus einem einzigen Stamm bestanden, und diesen hatte ein grausiges Ende ereilt. Der Legende nach hatten die Hobjas versucht, einen Bauern und seine Frau zu entführen und waren dabei vom Hund der Familie gefressen worden. Deshalb gab es nun keine Hobjas mehr.
Der Wolf schnaubte nur. »Du bist hier in der Großen Wildnis, Junge, in der Heimat der alten Legenden und vergessenen Mythen. Hier sind die Hobjas noch quicklebendig, und es gibt eine ganze Menge von ihnen, was du eigentlich erkennen müsstest, wenn du dir die Spuren ansiehst.«
Als ich mir den Boden genauer ansah, erkannte ich, dass er recht hatte. Überall zwischen den Felsen waren kleine Fußspuren zu sehen – dreizehig mit Krallen an den Spitzen. An verschiedenen Stellen war das Gras zerdrückt oder niedergetrampelt und ein starker Moschusgeruch hing in der Luft.
Der Wolf nieste, schüttelte wieder den Kopf und zog angewidert die Lefzen hoch. »Gehen wir weiter. Bei diesem abartigen Gestank kann ich keine Witterung aufnehmen.«
»Warte«, befahl ich ihm und ließ mich direkt am Ufer auf die Knie sinken, um die verwüstete Vegetation zu untersuchen. Überall Hobja-Spuren, aber dort im Gras gab es eine flache Mulde, die ein wenig aussah wie …
»Ein Körper«, murmelte ich, als der Wolf über meine Schulter spähte. »Hier lag ein Körper, flach auf dem Bauch. Und es war kein Hobja, er hatte ungefähr meine Größe.«
»Bist du sicher?«, knurrte der Wolf. Vorsichtig schnüffelte er an der Stelle, auf die ich zeigte, schüttelte dann aber niesend den Kopf. »Igitt, ich rieche nur Hobja-Mief.«
»Sie hatten ihn umstellt«, murmelte ich und führte mir die Situation bildlich vor Augen. »Er muss aus dem Wasser gekommen sein, hat sich ans Ufer geschleppt und ist hier zusammengebrochen. Nein, es war nicht nur einer.« Ich strich mit den Fingern über das Gras. »Hier war noch einer. Sie waren zu zweit. Die Hobjas haben sie wahrscheinlich gefunden, als sie bewusstlos waren.«
»Hobjas kennen keine Freunde«, erklärte der Wolf ernst. »Und sie fressen so gut wie alles. Könnte sein, dass nichts mehr übrig ist, wenn wir sie einholen.«
Ich ignorierte den Wolf, eiskalte Wut brannte in meiner Brust und am liebsten hätte ich jemandem den Schädel gespalten. Während ich den Spuren am Ufer entlang folgte, wurde mir klar, wie es gelaufen war. »Sie haben sie fortgeschleppt«, ich deutete auf eine Stelle, an der das Gras sich vollständig in eine Richtung
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