Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht
die gewaltigen Bäume, die so dicht standen und ineinander verschlungen waren, dass ihre Äste den Himmel ausschlossen, an den Nebel, der über den Boden gekrochen war, und an das ewige Zwielicht. Hier im Wilden Wald herrschte keiner der beiden Höfe – er war ein raues neutrales Territorium, das sich weder um die mittelalterlichen Gebräuche des Sommers noch um die grausame Gesellschaft des Winterhofes scherte.
Und er lag im Sterben.
Das Verderben war unmerklich gekommen, es war tief in das Land und den Wald eingesunken und zerstörte sie von innen heraus. Hier und da sah man einen Baum ohne Blätter oder einen Rosenstrauch mit funkelnden stählernen Dornen.
Ich verfing mich in einem Spinnennetz, nur um herauszufinden, dass es aus haarfeinen Drähten bestand, ganz ähnlich wie das Gebilde, das die Spinnenschrullen benutzt hatten. Äußerlich war die Veränderung nur gering und kaum sichtbar. Aber dem Herzschlag des Nimmernie, den ich überall um mich herum spüren konnte, in jedem Baum, jedem Blatt und jedem Grashalm, haftete etwas von Verfall an. Alles war vom Eisernen Schein berührt worden, und langsam zerfraß er das Nimmernie, wie eine Flamme ein Stück Papier vernichtete.
Und aus den entsetzten Mienen von Ash und Puck konnte ich schließen, dass sie es auch spürten.
»Es ist schrecklich, nicht?«, sagte der Gnomenabgesandte und sah sich betrübt um. »Nicht lange, nachdem Ihr … äh … verbannt wurdet, griff die Armee des Eisernen Königs an, und wohin auch immer sie zog, breitete sich das Eiserne Reich aus. Die vereinten Streitkräfte von Sommer und Winter konnten sie zwar zurückdrängen, aber selbst nachdem sie verschwunden waren, blieb das Gift. Unsere Armeen lagern an der Grenze, wo der Wilde Wald auf das Eiserne Königreich trifft, und versuchen die Eisernen Feen davon abzuhalten, durch die Bresche einzudringen.«
»Ihr haltet nur die Stellung?« Ash richtete seinen eisigen Blick auf den Gnom, der sofort vor ihm zurückwich. »Wie wäre es denn mit einem Frontalangriff, um die Bresche vollständig zu schließen?«
Der Gnom schüttelte den Kopf. »Funktioniert nicht. Wir haben bereits einige Streitkräfte durch die Bresche geschickt, aber keiner ist je zurückgekehrt.«
»Und der Eiserne König hat seine hässliche Visage nicht ein einziges Mal in der Schlacht gezeigt?«, erkundigte sich Puck. »Er lehnt sich einfach wie ein Feigling zurück und lässt die Armee zu ihm kommen?«
»Natürlich tut er das.« Grimalkin rümpfte die Nase und verzog angewidert die Schnurrhaare. »Warum sollte er sich in Gefahr begeben, wenn er klar im Vorteil ist? Er hat die Zeit auf seiner Seite – die beiden Höfe nicht. Oberon und Mab müssen verzweifelt sein, wenn sie sich bereiterklären, eure Verbannung aufzuheben. Ich kann mich an keine einzige andere Gelegenheit erinnern, bei der sie je willens gewesen wären, einen Befehl zurückzunehmen.« Er blinzelte mich an und kniff die Augen zusammen. »Es muss wirklich äußerst schlimm stehen. Anscheinend bist du die letzte Hoffnung auf eine Rettung des gesamten Nimmernie.«
»Danke, Grim. Gut, dass du mich noch mal daran erinnert hast.« Mit einem Seufzer schob ich die trostlosen, Furcht einflößenden Gedanken in den hintersten Winkel meines Bewusstseins und wandte mich an den Abgesandten: »Ich schätze mal, dass Oberon mich erwartet?«
»Jawohl, Hoheit.« Der Gnom nickte knapp und trippelte los. »Hier entlang, bitte. Ich werde Euch an die Front bringen.«
Von einem Hügel aus schaute ich in das Tal hinunter, in dem die Armeen von Sommer und Winter ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Aufs Geratewohl waren Zelte errichtet worden, so dass das Ganze aussah wie eine kleine Stadt aus buntem Stoff und matschigen Straßen. Selbst aus dieser Entfernung erkannte ich den Unterschied zwischen Lichten und Dunklen: Die Lichten bevorzugten helle, sommerliche Zelte in Braun-, Grün- und Gelbtönen, während das Lager der Dunklen in Schattierungen von Schwarz, Blau und Dunkelrot gehalten war. Obwohl sie auf derselben Seite standen, vermischten sich Sommer und Winter nicht, sie teilten sich nicht den Platz, ja nicht einmal dieselbe Seite des Tals. Doch in der Mitte, wo die beiden Lager aufeinandertrafen, ragte eine etwas größere Konstruktion auf, an der die Banner beider Höfe Seite an Seite im Wind flatterten. Wenigstens Mab und Oberon versuchten, miteinander klarzukommen. Zumindest vorerst.
Hinter den beiden Lagern markierte ein pervertierter Wald aus funkelndem Stahl den
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