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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Rauch so durch die Nase, daß er wie ein Pfeil auf Arkadi zutrieb. »Wenn ich in Dutch Harbor von Bord gehe, dann ist ein für allemal Schluß mit falschen Radios und falschen Detektiven. Sonst noch Fragen?«
    »Davon hatte ich keine Ahnung«, versicherte Slawa.
    »Nehmen Sie Ihre Bücher mit?« fragte Arkadi.
    Auf der oberen Koje standen die Schreibmaschine und die Bücherkartons, die Arkadi schon tags zuvor bewundert hatte. Was russische Poesie und Toilettenpapier gemeinsam hatten, war ihre Knappheit, dank der Probleme der russischen Papierindustrie, und das, obwohl das Land über die größten Waldbestände der Welt verfügte.
    »Möchten Sie eins? Sind Sie also nicht nur in der Schmutzbrigade und ein Kriminaler, sondern auch noch vernarrt in Bücher?«
    »Einige.«
    »Welche?«
    »Susan schreibt selbst«, sagte Slawa. »Ich persönlich schwärme für Hemingway.«
    »Ich spreche von russischen Autoren«, sagte Susan zu Arkadi.
    »Sie sind Russe, und Sie haben eine russische Seele. Nur zu, welches wollen Sie haben?«
    »Sie haben so viele.« Mehr gute Bücher als die Bordbibliothek, dachte er.
    »Mögen Sie die Achmatowa?«
    »Welche Frage.« Arkadi zuckte die Schultern.
    Susan hob die Stimme:
    »>Was willst du?< fragte ich. >Mit dir durch die Hölle gehen .<«
     
    Arkadi übernahm die nächsten Verse: »Er hob die schmale Hand, liebkoste sacht die Blumen: >Sprich, wie küssen Männer dich, wie küßt du, Mädchen, sprich.««
    Slawas Blick wanderte mißtrauisch zwischen Susan und Arkadi hin und her.
    »Das kennt bei uns jeder auswendig«, erklärte Arkadi. »So ist das nun mal, wenn’s keine Bücher zu kaufen gibt.«
    Susan ließ ihre Zigarette in die Suppe fallen, stand auf, griff nach dem ersten Buch, das sie von unten erreichen konnte, und warf es Arkadi zu. »Ein Abschiedsgeschenk«, sagte sie. »Und jetzt Schluß mit der Fragerei. Ich kann wohl von Glück sagen, daß Sie erst gegen Ende der Reise hier oben aufgetaucht sind.«
    »Ich wage zu behaupten«, erwiderte Arkadi zögernd, »daß Sie in anderer Hinsicht noch sehr viel mehr Glück hatten.«
    »Können Sie sich nicht ein bißchen deutlicher ausdrücken?«
    »Nun, Sie waren genauso angezogen wie Sina. Falls jemand Sina über Bord geworfen hat, dann ist es ein Glück, daß dieser Jemand nicht aus Versehen Sie erwischt hat.«
    Die Kabine der verstorbenen Sina Patiaschwili vermittelte eine Atmosphäre, so intim wie ein Traum; schon als er das Licht einschaltete, fühlte Arkadi sich wie ein Eindringling.
    Dynka zum Beispiel kam aus Usbekistan, und davon zeugte das Spielzeugkamel auf dem Kissen ihrer Koje, eine zweihöckrige Miniatur mit einem Samarkand-Teppich geschmückt. Dann waren da Madame Malsewas bestickte Kissen, die sämtlich nach Puder und Pomade dufteten. Ihr Album mit den ausländischen Postkarten zeigte Minarette und Tempelruinen. Ein geprägtes Porträt von Lenin bewachte Natascha Tschaikowskaias Koje, über der außerdem ein Schnappschuß von einer mütterlichen Frau hing, die schüchtern inmitten von Sonnenblumen in die Kamera lächelte, sowie ein Hochglanzfoto von Julio Iglesias.
    Ein Windglockenspiel aus Rauchglas schaukelte vor dem Bullauge und warf romantische, kastanienbraune Schatten auf die Schotten der Kabine. Der Raum hatte etwas Schwindelerregendes, war wie eine Nautilusmuschel aus Farben, Falten und Kissen, voller miteinander wetteifernder Düfte, stark wie Weihrauch, war Leben, zusammengedrängt in einem stählernen Kämmerchen. Es hingen mehr Bilder in der Kabine als zuvor, als hätte Sinas Verschwinden den drei verbleibenden Zimmergenossinnen auch die letzte Befangenheit genommen. Die Schranktür war mit noch mehr usbekischen und sibirischen Bauarbeitern geschmückt, deren Konterfeis im blassen Widerschein des Windglockenspiels schimmerten.
    Arkadi steckte eben den Kopf unter Sinas abgezogene Matratze, als Natascha hereinkam. Sie trug einen klammen blauen Trainingsanzug, den Einheitsanzug aller sowjetischen Sportler. Schweiß lag wie Tau auf ihren Wangen, aber ihre Lippen waren frisch geschminkt. »Sie erinnern mich an eine Krähe«, sagte sie zu Arkadi. »An einen Aasfresser.«
    »Sie haben eine scharfe Beobachtungsgabe.« Er sagte nicht, woran sie ihn erinnerte, nämlich an eine Tschaika, jene große Limousine, der sie ihren Spitznamen verdankte. Eine kurzatmige Tschaika in blauem Ölzeug.
    »Ich war an Deck und hab ein paar Übungen gemacht. Man sagte mir, Sie wollten mich sprechen.«
    Da Arkadi Gummihandschuhe aus dem

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